Kaṇṇinuṇ Śiruth Tāmbu

Śrīḥ
Śrīmathē śatakōpāya namaḥ
Śrīmathē rāmānujāya namaḥ
Śrīmath varavaramunayē namaḥ
Śrī vānāchala mahāmunayē namaḥ

Einführung

Der Verfasser des Kaṇṇinuṇ Śiruth Tāmbu, Madhurakavi Āḻvār, ist wohl der paradoxeste unter den Āḻvārs. Einerseits zählt er in manchen Aufstellungen nicht einmal zu den Āḻvārs, andererseits ist er und das Kaṇṇinuṇ Śiruth Tāmbu der Grund, warum die Verse der anderen Āḻvārs überhaupt noch bekannt sind. Er stammte aus einer sehr hochstehenden Brahmanenfamilie aus Nordindien und wurde in Südindien der Schüler von Nammāḻvār, welcher deutlich jünger als Madhurakavi Āḻvār war und aus einer Śudra Familie stammte, also aus einer viel geringeren Kaste. Seine Hingabe an Nammāḻvār kannte keine Grenzen… davon handelt das Kaṇṇinuṇ Śiruth Tāmbu.

Kaṇṇinuṇ Śiruth Tāmbu ist das einzige Lied der Āḻvārs, das nicht von Nāthamuni wiedergewonnen werden musste. Die Legende weiß zu berichten, dass Nāthamuni, der erste in der Linie unserer frühen Āchāryas (ca 900 unserer Zeitrechnung) im Tempel von Kattumannarkoil war, das ist etwa auf halbem Weg zwischen Chennai und der Südspitze des indischen Subkontinents an der Ostküste Indiens.

Dort höre er eine Gruppe von Śrī Vaiṣṇavas einige wundervolle Verse rezitieren. Auf die Nachfrage, was dies für Verse wären und ob er das ganze Werk hören könne, wurde Nāthamuni gesagt, dass sie nur 11 Verse kennen würden und dass er vielleicht in Kurugūr mehr erfahren könne. So wanderte Nāthamuni 400 km nach Kurugūr, wo er Parāngusa Dāsa, einen Schüler in der Linie von Madhurakavi Āḻvār, traf. Dieser lehrte ihn das Kaṇṇinuṇ Śiruth Tāmbu und erklärte ihm, dass er durch eine besondere Tapaysa ein Erscheinen von Nammāḻvār erreichen könne, der ihn dann die Verse lehren wird. Dafür müsse er vor dem Baum, in dem Nammāḻvār viele Jahre seines Lebens meditiert hat, 12.000 Mal ohne Unterbrechungen das Kaṇṇinuṇ Śiruth Tāmbu rezitieren. Unserer Rechnung nach bedeutet das, die Verse für 6 Wochen am Stück zu sprechen. Da Nāthamuni ein sehr fortgeschrittener Yogi war, war es ihm möglich, diese Tapaysa auszuführen. Und in der Tat erschien ihm Nammāḻvār und lehrte ihn die Werke der Āḻvārs, Yogische Techniken und vieles mehr. Aus diesem Grund geht die Linie unserer Lehrer von Nammāḷvār zu Nāthamuni.

Thanyians (Würdigungsverse)

Beide Thaniyans werden Nāthamuni, dem ersten Āchārya in der aktuelle Linie, unserer, zugeschrieben.

Thaniyan 1

avidita viṣayāntaraḥ śaṭhārēḥ
upaniṣadām upagānamātra bhōgaḥ |
api ca guṇavaśā ttadēkaśēṣī

madhurakavirhṛdayē mamāvirastu ||

Der, der nicht anderes kannte [als Nammāḻvār], Śatakopas [ein Sanskrit Name für Nammāḷvārder, der Satam, die Unwissenheit, vertreibt] heilige Worte singend, seine einzige Freude.
Der durch seine Qualitäten Nammāḻvār als einzigen Herrn hatte,
möge Madhurakavi Āḻvār sich in meinem Herzen manifestieren.

Thaniyan 2

vēṟonṟum nān aṟiyēn vēdam tamiḻ śeyda⋆
māṟan śaḍagōban vaṇ kurugūr ēreṅgaḷ
vāḻvām enṟēttum⋆ madurakaviyār emmai āḻvār⋆ avarē araṇ

„Ich kenne nichts als den, der die Bedeutung der Veden auf Tamil beschreibt“ [Nammāḻvār],
Māran sein Name, zu Śatakopa gehörend, Anführer der schönen Stadt Kurugūr (heute Thirukkurugur – Teil des Pilgerortes Azhwarthirunagari), der der uns erheben wird, wir preisen Madurakavi Āḻvār, der uns beherrscht und schützt.

Vers 1

kaṇṇi nuṇ śiṟu ttāmbināl ⋆ kaṭṭuṇṇa
ppaṇṇiya perumāyan⋆ ennappanil⋆
naṇṇi tten kurugūr⋆ nambi enṟakkāl⋆
aṇṇikkum amudūṟum ⋆ ennāvukkē

Mit einem kurzen, rauen Strick geknotet,
er, [Kṛṣṇa] der Yasoda erlaubte ihn zu binden, mit wundervollen Fähigkeiten,
ich lasse den Herrn hinter mir und suche Schutz beim Herrn von Kurugūr
ich rezitiere seinen Namen, der süßer Nektar auf meiner Zunge ist.

Vers 2

nāvināl naviṭru⋆ inbam eydinēn⋆
mēvinēn⋆ avan pon aḍi meymmaiyē⋆
tēvu maṭraṟiyēn⋆ kurugūr nambi⋆
pāvin in iśai ⋆ pāḍi ttirivanē

Meine Zunge ist voller Freude beim Rezitieren [seiner (Nammāḻvārs) Namen],
seinen goldenen Füßen, ich bin ihnen völlig hingegeben.
Ich kenne keinen anderen Gott [tēvu – analog Deva im Sanskrit]- als den Herrn von Kurugūr,
und so ziehe ich herum und singe seine Lieder zu süßer Musik.

Vers 3

tiri tandāgilum⋆ tēva pirān uḍai⋆
kariya kōla⋆ tiru uru kkāṇban nān⋆
periya vaṇ kurugūr⋆ nagar nambikkāḷ uriyanāy ⋆
aḍiyēn ⋆ peṭra nanmaiyē

Und selbst wenn ich abweichen würde [vom Dienst an Nammāḻvār],
den Herrn der Nityasūris [Śrīman Nārāyana], wie dunkele Wolken in wundervoller göttlicher Form,
Ich werde Dienst an Nammāḻvār sehen, aus Kurugūr, der großen und ehrwürdigen Stadt.
Sein Diener allein bin ich, sehr den Segen, den ich empfangen habe.


Vers 4

nanmaiyāl mikka⋆ nānmaṟai āḻargaḷ⋆
punmai āga⋆ karuduvar ādalin⋆
annaiyāy attanāy⋆ ennai āṇḍiḍum tanmaiyān ⋆
śaḍagōban ⋆ en nambiyē

Voll von Tugend, die Gelehrten in den vier Veden,
Sie ignorieren mich als Inbegriff niederer Eigenschaften.
Meine Mutter, mein Vater, der, der mich als Diener annimmt,
Śatakopa ist mein Meister.

Vers 5

nambinēn⋆ piṟar nan poruḷ tannaiyum⋆
nambinēn⋆ maḍa vāraiyum mun elām⋆
śem pon māḍa ⋆ tiru kkurugūr nambi kkanbanāy ⋆
aḍiyēn ⋆ śadirttēn inṟē

Ich sehnte mich nach den schönen Dingen anderer,
Ich sehnte mich nach den Frauen anderer, früher,
Mit goldenen Balkons geschmückt, Kurugūr, Dein Herrscher,
Ich wurde sogleich sein Schüler.

Vers 6

inṟu toṭṭum⋆ eḻumaiyum embirān⋆
ninṟu tan pugaḻ⋆ ētta aruḷinān⋆
kunṟa māḍa⋆ tiru kkurugūr nambi⋆
enṟum ennai ⋆ iga vilan kāṇminē

Für heute und die Zeit, die kommt,
Voller Überzeugung preise ich meinen gesegneten Meister,
Mit Balkonen bis zum Himmel, Kurugūr, Dein Herrscher,
Für alle Zeit, er wird mich nicht aufgeben, schaut her!

Vers 7

kaṇḍu koṇḍennai⋆ kāri māṟappirān⋆
paṇḍai valvinai⋆ pāṭri aruḷinān⋆
eṇḍiśaiyum⋆ aṟiya iyambugēn⋆
oṇ tamiḻ ⋆ śaḍagōban aruḷaiyē

Gesegnet lässt er mich dienen, der Sohn von Kāri [Nammāḻvār];
Vergehen / Karma aus anfangsloser Zeit, die mir folgen, er hat sie gnädig entfernt;
Jeder aus den 8 Himmelsrichtungen, ich werde es ihnen berichten.
Er, der Quell [wundervoller] tamilischer Gebete, Śatakopa [Nammāḻvār], seine Gnade.

Vers 8

aru koṇḍāḍum⋆ aḍiyavar inbuṟa⋆
aruinān⋆ avvarumaṟaiyin poruḷ⋆
aru koṇḍu⋆ āyiram in tamiḻ pāḍinān⋆
aru kaṇḍīr ⋆ ivvulaginil mikkadē

Die Gnade des Herrn, seinen Geweihten zur Freude,
Er segnet uns mit der Essenz der Veden,
Die große Gnade der tausend Verse auf Tamil (Nammāḻvārs Thiruvāimoḻi),
Sie ist seine reine Gnade und steht als Großes in dieser Welt.

mikka vēdiyar⋆ vēdattin uṭporuḷ⋆
niṟka pāḍi⋆ en neñjuḷ niṟuttinān⋆
takka śīr ⋆ śaḍagōban en nambikku ⋆
āṭ pukka kādal ⋆ aḍimai ppayananṟē

Die Veden singen die großen Gelehrten, die Essenz der Veden,
Offenbart in den Versen [des Thiruvāimoḻi| und fest in mein Herz gepflanzt.
Śatakopa mit erhabenen Eigenschaften, ihm zu dienen,
Meine Liebe dazu erwachte und im selbe Moment erreichte ich das Ziel [den Dienst an Nammāḻvār].

Vers 10

payan anṟāgilum ⋆ pāṅgallar āgilum ⋆
śeyal nanṟāga⋆ tirutti ppaṇi koḻvān⋆
kuyil ninṟār poḻil śūḻ⋆ kurugūr nambi⋆
muyalginṟēn ⋆ un tan moy kaḻaṟkanbaiyē

Obwohl eine Vorteil davon zu haben, ohne dass sie er verdient hätten,
Durch sein Zeugnis und kraftvollen Anweisungen reformierte er sie,
Umringt von Gärten voller Vögel, Kurugūr, Dein Herr,
Seine Füße, ihnen versuche ich zu huldigen.

Vers 11

anban tannai aḍaindavargaṭkellām anban
ten kurugūrnagar nambikku
anbanāymadurakavi śonna śol
nambuvār padi
vaigundam kāṇminē

Der Herr ist seinen Anhängern zugetan, all denen die ihm ergeben, die ihn lieben,
Der Herr der Stadt Kurugūr,
Erst ist ihnen ergeben; Madurakavi sprach diese Verse,
Wer ihnen treu ist, wird Vaikuṇṭha erreichen.


Adiyen Mādhava Rāmānuja Dāsan
Übersetzung auf Deutsch
Adiyen Sarathy Rāmānuja Dāsan
Adiyen Sudarshana Rāmānuja Dāsan
Übersetzung ins Englische

The meaning of „Bhagavān“

Śrīḥ
Śrīmathē śatakōpāya namaḥ
Śrīmathē rāmānujāya namaḥ
Śrīmath varavaramunayē namaḥ
Śrī vānāchala mahāmunayē namaḥ

Background

The term „Bhagavān“ is used on many instances on our page. But what exactly does it mean? Here is a piece of a historical debate, where one of our Āchāryas provides insight into the meaning of this name of God.

The present article has been published in Journal of Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland, July 1910 [1]. A scanned version of the historical article can be downloaded here.

It is a reaction to a somewhat provocative article by Grierson [2] published earlier in the same journal. Gierson writes:

The full account of what the word „Bhagavan“ means to a Bhagavata will be found in the Viṣṇu Purāna (VI, v. 69 ff). Most of the text is printed in the notes to Wilson’s translation, and it is curious that attention has not been directed to this important passage. The essential part, quoted by all Bhagavatas, is

aiśvarasya samagrasya darmasya yaśasaḥ śriyah |
jñāna-vairāgyasyōś cai ‚va ṣaṇṇāṁ „bhaya“ iti‘ ṅganā ||

Translation (from another source): (Bhaga indicates) „the six properties, dominion, might, glory, splendor, wisdom, and dispassion. The purport of the letter va is that elemental spirit in which all beings exist“

This is based on an absurd comparison of bhaya with bhaga, but it is valuable as expressing what a Bhagavata though the name implied. In the 71st verse it is said that the word “Bhagavat” is used in worship “(pūjya padārthōkti-paribhāṣāsamanvitaḥ)” used in a special significance with reference to the Supreme”, i.e. as a name of the Supreme. (…)

For these reasons I do not think that any adjective signifying mere a condition, such as “Blissful” or “Happy” indicates correctly the idea felt by Bhagavatas in applying the word “Bhagavan” to the Supreme. I think we must use some adjective implying worship, or adoration, due to be paid to Him, and here as at the present advised, I think “Adorable” is the most suitable word. If, however, a better one is suggested, I shall be ready to adopt it. These remarks are put forth to invite criticism. The point is not unimportant and if would be well if all scholars could agree on some translation.

Āchārya Govindāchārya Swāmi responds:

The contribution on this topic by Dr. G. A. Girierson in [2] is a good attempt made to approach the sense of the term Bhagavān (or Bhagavat), and then to find the nearest English word for it.

The term Bhagavān is an ancient one, which may be found in the Upaniṣads, and traceable further back to the Vedic deity Bhaga. And according to a grammatical rule, „vat“ can take the place of „mat „, so that Bhagamām becomes Bhagavān.

The intention of the Viṣṇu Purāna, VI, v. 69 ff, is to explain the ancient Mantra, the Dvādaśakṣarī, containing both the terms Bhagavān and Vāsudēva, the latter being traceable to the Viṣṇu / Gāyatrī of the Nārāyaṇam in the Taittrirīya Upaniṣad. In this explanation, the Viṣṇu Purāna takes up Bhagavān first and then Vāsudēva. Bhagavān, according to the definition contained in the verse 79

Jñāna-śakti-blaiśvarya vīrya-tējāṁsy aśēṣataḥ |
Bhagavte-chabda-vācyāni vinā hēyair guṇādibhiḥ ||

is „He who is full of auspicious qualities and devoid of inauspicious ones„. That this conception of God is not a later one, enunciated by the Bhagavata school, but is the oldest Vaidic conception, may be learnt from what is called the Ubhaya-liṅgā-dhikaraṅa in the Brahma-Sūtras, extending over III, ii, 11, beginning Na sthānatō’pi to III, ii, 25. The word cannot therefore mean merely „blissful“, qualified subjectively, or merely „holy“, for either of these terms give but a part connotation of the word. „Blessed“ would be better, if it may be understood as an abbreviation for „blessed-qualified“.

The word „Adorable“ only draws out the root-sense, but completely ignores the contents of the definition as given in the Viṣṇu Purāna, verse 79 (above). Parenthetically, the words „used in worship“ on p. 161 ought to be „used for others than Bhagavān for mere courtesy „. I would therefore suggest the following terms with which to translate Bhagavān: „Blessed,“ „Excellent,“ „Best,“ „Perfect,“ „Glorious,“ and perhaps „Lord“. I would leave to my English friends to weigh the different connotations these several terms carry in their lexicon, and choose the best.

Referring to the term Vāsudēva, it is often confounded with the son of Vasudēva (Kṛṣṇa), but read the several connotations of it in the Sahasra-nāma-bhāṣya. Similarly, Kṛṣṇāya Dēvakī-putrāya, of Chāndōgya-Upaniṣad, III, xvii, 6, is by some confounded with Kṛṣṇa, the son Vāsudēva. Śrī Madhvācārya, in his commentary on this Upaniṣad, explains this clearly [3]. There is also a Kṛṣṇa again in the Nārāyaṇam of the Taittirīya-Upaniṣad. This is, again, not to be confounded with Kṛṣṇa, the son of Vasudēva.

A. Govindācārya Svāmi
Veda-Grham, Mysore (S. India)
February 7, 1910


References

[1] The Translation of the Term „Bhagavan“
A. Govindācārya Svāmi
The Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland
Jul., 1910, pp. 861-863, https://www.jstor.org/stable/25189741

[2] The Translation of the Term „Bhagavat“
George A. Grierson
The Journal of the Royal Asiatic Society of Great Britain and Ireland
Jan., 1910, pp. 159-162, https://www.jstor.org/stable/25189643

[3] See a summary of the points with respect to whether Kṛṣṇa is mentioned in the Upaniṣad at Quora

Siddhi Traya – Saṃvatsiddhi (Part 1)

Śrīḥ
Śrīmathē śatakōpāya namaḥ
Śrīmathē rāmānujāya namaḥ
Śrīmath varavaramunayē namaḥ
Śrī vānāchala mahāmunayē namaḥ

Introduction

The line of our early Āchāryas, also known as Sampradāya Pravartaka Āchāryas, is crowned by the appearance of Rāmānuja. Yet, Rāmānuja’s great contributions were not possible without the foundations laid by his great preceptor Yāmunāchārya.

Scholars have found that Rāmānuja’s opus magnum, his comment on the Brahma Sūtras called Śrī Bhāṣya, extensively quotes and paraphrases points made by Yāmunāchārya in his three short philosophical works:

  • Saṃvatsiddhi, a work that proves that the world we perceive is real (and not essentially an illusion, as argued by the Advaita school).
  • Āthmasiddhi, a work that proves the existence of the Āthma (which is also seen as not actually existent by the Advaita school).
  • Īśvarasiddhi, a work that proves the existence of Īśvara, a God that has attributes of a person (and is not a completely impersonal and abstract entity as put forward by the Advaita school).

Probably because the essence of these works is contained in the Śrī Bhāṣya, the fact that the above works by Yāmunāchārya were preserved in a rather incomplete manner and have seen little attention in the last centuries has not bothered the Śrī Vaiṣnava community much. Our interest in these works was kindled when we came across a book about Saṃvatsiddhi by an Austrian Researcher [1], which is only available in German. There is a whole series of books and articles about the early texts of our Sampradaya published in German by a scholar named Gerhard Oberhammer and his PhD candidates / research assistants. We have already mentioned and used these books to provide additional background to the translation of Yāmunāchārya’s Chatuḥślōkī.

We share the general reluctance amongst Hindus in considering academic opinions on our religion. This is because a lot of research is made with a certain hyper-sceptic rationalist-atheist mindset, which is not at all receptive for the deep meanings and subtleties our spiritual heritage has. However, reading the works of Oberhammer, we cannot find that he (or his affiliated researchers) follow such an agendea. Their aim is to shed light on the theological and philosophical genesis of our lineage and they do so in a respectful way.

The book on Saṃvatsiddhi we found seeks to reconstruct as much of the content as possible. This is done by looking for references from the existing fragments to lost parts of the text, as well by comparing the text to sections of the Śrī Bhāṣya with similar content. Since Rāmānuja has build on Yāmunā’s works and likely had them in complete form, the Śrī Bhāṣya could contain glimpses into the lost parts of Saṃvatsiddhi.

Text structure

Here is the general structure of the text, as far as can be inferred / reconstructed from the available palm leafs.

Lost: Mangala verses / saluations to Yāmunāchārya’s Āchārya Rāma Miṣra (Maṇakāl Nambi).
Section 1: The reality of the world
Lost: A detailed exposition of the opposing Advaita argument. The researcher infers that the early Advaita scholar Maṇḍanamiśra (around 700 C.E.) could be the main proponent of the views Yāmuna seeks to rebuke, as this scholar rejected the view that cognition via the senses can be a proper basis for difference, i.e. for non-advaitic standpoints.
Lost: Arguments leading the discussion from whether the world has any degree of reality to the question whether the world has an existence of its own, i.e. if it is in any meaningful way different from Brahman. Most likely, the opposing view is presenting the statement ekam eva advitīyaṃ brahma as reason why this is not the case.
Preserved: Argumentation of Yāmuna why „there is no world different from Brahman“ is not the proper meaning of ekam eva advitīyaṃ .
Preserved: Jaina and other arguments that the world is both nonexistuing and existing or neither of both
Partly preserved: Argumentation of Yāmuna that the Sāṃkhya view resolves this.
– Article part 1 ends here –
Section 2: The reality of the perceiver of the world
Lost: Arguments about the entity which perceives the word, leading to a discussion about tat tvam asi
Preserved: Yāmuna refutes the view that tat and tvam have an identical mode of being, hence the quest of making deductions about the world is meaningful – as there is a proper agent for that quest.
Section 3: The validiy of deductions about the world
Preserved: Yāmuna presents the view that it is possible to draw meaningful conclusions from observations of the world
Preserved: Presentation of advaitic / crytpo-Buddhist views that this is not possible
Preserved: Yāmuna refutes these views with side discussions on the nature and foundations of Avidiya, a core principle of Advaita teachings.
– Article part 2 (to be written) ends here –
Preserved: Presentation of orthodox Buddhist views on the impossibility of deductions on the world (essentially, that the world is resulting from consciousness and has no reality beyond that)
Partly preserved: Yāmuna pointing to logical inconstencies in this view. As Buddhists are not accepting the Vedas or Vedic sciences like Mīmāṃsā, the discussion here is purely based on logic. The surviving text breaks off at some point.
Preserved: Discussions around whether it would be possible to identify defects in the perception of the world according to Yāmuna’s arguments.
Lost: final conclusions, closing remarks

The current beginning and lost sections

All available palm leafs start with ekamevādvitīyaṃ tadbrahmetyupaniṣadvacaḥ (though some have some invocations prior to it) i.e. with an argument on the meaning of an important verse from the Chāndogya Upaniṣad:

सदेव सोम्येदमग्र आसीदेकमेवाद्वितीयम् ।
तद्धैक आहुरसदेवेदमग्र आसीदेकमेवाद्वितीयं तस्मादसतः सज्जायत ॥ ६.२.१ ॥

sadeva somyedamagra āsīdekamevādvitīyam |
taddhaika āhurasadevedamagra āsīdekamevādvitīyaṃ tasmādasataḥ sajjāyata || 6.2.1 ||

You will find this part usually quoted as ekam eva advitīyaṃ brahma and this is also the subject of disucssion here.

The available text starts with a summary of the argument Yāmuna seeks to refute, called Pūrvapakṣa in the vedic science of logic and argumentation (Mīmāṃsā). Mīmāṃsā requires that before a Pūrvapakṣa, an exposition of the opposing argument is to be made (called Saṃśaya) and before that, a quotation of the vedic text on which the argument is made (called Viṣayavākya) is required.

So, at the very least, Saṃśaya and Viṣayavākya were lost. But shortly after the discussions about ekam eva advitīyaṃ brahma, Yāmuna refers to other arguments he has refuted in detail. Hence, the researcher concludes that a whole section with Yāmuna’s proposition, counter arguments, Yāmuna’s arguments against these arguments and his conclusion has been lost, which came before the lost Saṃśaya and Viṣayavākya on ekam eva advitīyaṃ brahma.

Within the text, the text breaks off at two instances, as it jumps to unrelated discussions from a consistent stream of arguments. Also at the end, the text stops without any concluding remarks. This means that besides start and end, also two sections of palm leafs from within the text were likely lost, as shown in the summary table above.

The researcher finds evidence that all existing palm leafs were all copied from a single source in bad shape, as they share certain strange / implausible words at some points, which could be explained as result of writers (who were focused on copying the words and not on their meaning) inferring words at places where the source palm leaf was unreadable. Also, there is a strange break and later contiuation of an argument in all existing palm leafs, which is likely the result of the order of source palm leaf being mixed up (there is no numbering).

Knowing that texts located in Śrī Raṇgam (and other temples) had to be taken out in a rush to save them from the destruction by Muslim invadors, it is not hard to imagine how a loss of palm leafs and the mix up of certain leafs could have happened.

Existing text (consolidated) and translation

Section 1: The reality of the world

subsection: does the world have a meaningful existence of its own?

We give a numbering of the verses for better orientation. As mentioned, the original text has no verse numbers.

ekam evādvitīyaṃ tad brahmety upaniṣadvacaḥ |
brahmaṇo ’nyasya sabdbhāvaṃ nanu tat prariṣadhati || 1
atra brūmo ‚dvitīyoktau samāsaḥ ko vivakṣitaḥ |
kiṃsvit tatpuruṣaḥ kiṃ vā bahuvrīhir athocyatām || 2

The statment ekam evādvitīyaṃ, this Brahman is one only, advitīyaṃ, made in the Upaniad, negates the existence of anything different from Brahman.
We respond to this: Which [Sanskrit] compound is meant with advitīyaṃ, shall we call it a Tatpuruṣa [Samas] or a Bahuvrīhi [Samas]?

pūrvasminn uttaras tāvat prādhānyena vivakṣyate |
padārthas tatra tad brahma tato ’nyat sadṛśaṃ tu vā || 3
tadviruddam atho vā syāt triṣv apy anayan na bādhate |
anyatve sadṛśatve vā dvirtīyaṃ siddhyati dhruvam ||
4

The ending part [of a word] is considered superior to the beginning (the scholar references grammarian Patañjali’s work Mahābhāṣya II.1.6 as a source for this statement). The subject of the word is the Brahman. Something different from him, similar to it, or something that is in opposition are all conceivable. In all three cases something other is not impossible. Both in difference and similarity, there is a second.

viruddhatve dvitīyena tṛtīyaṃ prathamaṃ tu vā |
brahma prāpnoti yasmāttat dvitīyena virudhyate || 5
ataḥ saprathamāḥ sarve tṛtīyādyartharāśayaḥ |
dvitīyena tathā spṛṣṭvā svasthāstiṣṭhantyabādhitāḥ ||
6

If Brahman is in opposition to a second, Brahman has a third to it or is the one, as there is only opposition to the second. [We have to keep in mind that Sanskrit has a distinct dual case, which is used in the statement].
So together with the one, all other groups of objects beginning with the third are not revoked, if they are in contact with the second.

nanu nañ brahmaṇo ’nyasya sarvasyaiva niṣedhakam |
dvitīyagrahaṇaṃ yasmāt sarvasyavopalakṣaṇam || 7
naivaṃ viṣedho na hy asmād dvidīyasyāvagamyate |
tato ’nyat tadviruddhaṃ vā sadṛśaṃ vātra vakti saḥ || 8

(Likely objection by the opponent) The negation (advitīyaṃ) includes everything different from Brahman, as the expression „a second“ means everything else by implication.
(Response by Yāmuāchārya) This is not the case. It does not exclude a second. This [Tatpuruṣa Samas] means here something different from him, something in opposition to him or something similar.

dvitīyaṃ yasya naivāsti tadbrahmeti vivakṣite |
satyādilakṣaṇoktīnām apalakṣaṇatā bhavet || 9
advitīye dvitīyārthanāstitāmātragocare |
svaniṣṭhatvān nañarthasya na syād brahmapadānvayaḥ || 10

If the meaning is „only that which does not have a second, this is Brahman“, the [Śruti] statements like satya would be no meaningful characterization. (Because Brahman would be mainly defined by an attribute (no second), not by his inherent properties).
Would advitīyaṃ just relate to the non-existence of a second object, the meaning of the negation particle would relate to itsself and not to the word Brahman.

dvitīyaśūnyatā tatra brahmaṇo na viśeṣaṇam |
viśeṣaṇe vā tadbrahma tṛtīyaṃ prathamaṃ tu vā || 11
prasaktaṃ pūrvavatsarvaṃ bahurvīhau samasyati |
brahmaṇaḥ prathamā ye ca tṛtīyādyā jagatrtraye || 12

brahma praty advitīyatvāt svasthās tiṣṭhanty abādhitāḥ |

In this case the not-having-a-second not is no attributive definition of Brahman, and if it would be a definition, Brahman would be a first or a third.
Everything (that was said in relation to advitīyaṃ being a Tatpuruṣa Samas) follows necessarily if we understand advitīyaṃ as Bahuvrīhi Samas. Because [Brahman is] free from a second, the first, third etc [group of things] which relate to Brahman in the threefold world, remain unchanged and uncanceled.

kiṃca tatra bahuvrīhau samāse saṃśrite sati || 13
vṛttyarthasya nañarthasya na padārthāntarānvayaḥ |
saty arthāntarasambandhe ṣaṣṭhī yasyeti yujyate || 14

And if we take the Bahuvrīhi for that part, the meaning of the Sama, if it has the meaning of a negation, has no sytactic relation to another word. (The scholar references Pāṇini II.2.24 as source of this rule). [Only] if a connection to another object esists, the Genitive „whose is“ is correct.

dvitīyavastunāstitvaṃ na brahma na viśeṣaṇam |
asattvānna hyasadbrahma bhavennāpi viśeṣaṇam || 15
tasmātprapañcasadbhāvo nādvaitaśrutibādhitaḥ |
svapramāṇabalātsiddhaḥ śrutyā cāpyanumoditaḥ || 16

The non-being of a second thing is neither Brahman nor an attributive defintion [of Brahman]. Because it is not, the non-being cannot be Brahman or his attributive defintion.
Hence, the reality of senses is not cancelled by this Śruti statement on „non-duality“, instead it is confirmed by the appropriate means of cognition [our perception] and confirmed by the Śruti.

tenādvitīyaṃ brahmeti śruter artho ‚yam ucyate |
dvitīyagaṇanāyogyo nāsīdasti bhaviṣyati || 17
samo vābhyadhiko vāsya yo dvitīyastugaṇyate |
yato ’sya vibhavavyūhakalāmātram idaṃ jagat || 18

The Śruti statement [ekam eva advitīyaṃ brahma] thus means that there is no second [object] to be mentioned besides him – in the past, present or future.
But only that is counted as second, which is at the same level as him or superior. As this world is but a tiny fragment of his unfolding – how could it cound as second to him?

dvitīyavāgāspadatāṃ pratipadyeta tat katham |
yathā colanṛpaḥ samrāḍadvitīyo ‚dya bhūtale || 19
iti tattulyanṛpatinivāraṇaparaṃ vacaḥ |
na tu tadbhṛtyatatputrakalatrādiniṣedhakam || 20
tathā surāsuranarabrahmabrahmāṇḍakoṭayaḥ |
kleśakarmavipākādyair aspṛṣṭasyākhileśituḥ || 21
jñānādiṣāṅguṇyanidher acintyavibhavasya tāḥ |
viṣṇor vibhūtimahimasamudradrapsavipruṣaḥ || 22

As the claim „the Cola king is the soverein over the world without a second“ has the purpose to exclude a [second] king with similar power, but not [the existence of] ministers, sons, wifes etc.
Similarly [the statement ekam eva advitīyaṃ brahma does not exclude] millions of Devas, Demons, Humans, Brahmās, Brahmāṇḍas, which are but a drop in the ocean of Viṣṇus power, unaffected by impurities, [good and bad] deeds and their results etc, lord of all and quintessence of the six qualities, knowledge etc and majestic beyond words.

kaḥ khalvaṅgulibhaṅgena samudrān saptasaṅkhyā |
gaṇayan gaṇayedūrmiphenabudbudavipruṣaḥ || 23
yathaika eva savitā na dvitīyo nabhaḥsthale |
ityuktā na hi sāvitrā niṣidhyante ‚tra raśmayaḥ || 24

Who would, if he counts the oceans, seven in number, with the help of his fingers, also count the droplets of foam and bubbles?
Also the existence of rays is not contested by the statement „there is just one sun and no second at the sky“.

yathā pradhānasaṅkhyeyasaṅkhyāyāṃ naiva gaṇyate |
saṅkhyā pṛthaksatī tatra saṅkhyeyānyapadārthavat || 25
tathā, pādo ’sya viśvā bhūtāni tripādasyāmṛtaṃ divi |
iti bruvan jagatsarvamitthambhāve nyaveśayat || 26

As a number that is existing separately is not counted is within a set of numbers or an object different from that we seek to count, also the [Śruti] teaching „all beings are one-fourth of him; his otherthree-fourths, immortal, in heaven“ (Rig Veda 10.90.3 (Puruṣa Sukta)) includes the whole world in its so-being.

tathā, etāvān asya mahimā tato jyāyastaro hi saḥ |
yatrānyan na vijānāti sa bhūmodaram antaram |
kurute ’sya bhayaṃ vyaktamityādiśrutayaḥ parāḥ || 27
meror ivāṇur yasyedaṃ brahmāṇḍam akhilaṃ jagat |
ityādikāḥ samastasya taditthambhāvatāparāḥ || 28

Similarly, other places in Śruti teach „so grand is his majesty, he is indeed more powerful than this [world].“, „Where you cannot recognize anything else, there is the highest being“, „If he makes a difference, fear is recognised by him“. Also places like „Of the brahmāṇḍa (a complete universe with heavens, mid-worlds like this one and hells) this world is like an atom to mount Meru. All of this relates to everything being in his being.

vācārambhaṇamātraṃ tu jagat sthāvarajaṅgamam |
vikārajātaṃ, kūṭasthaṃ mūlakāraṇameva sat || 29
ananyat kāraṇāt kāryaṃ pāvakād visphuliṅgavat |
mṛttikālohabījādinānādṛṣṭāntavistaraiḥ || 30

Being Modification, the moving an unmoving world is just based on the word. The immutable root-cause is being. The effect is not different from the cause, as the spark is not different from the fire.

nāśakad dagdhum analas tṛṇaṃ majjayituṃ jalam |
na vāyuścalituṃ śaktaḥ tacchaktyāpyāyanādṛte || 31
ekapradhānavijñānād vijñātam akhilaṃ bhavet |
ityādivedavacanatanmūlāptāgamairapi || 32

brahmātmanā’tmalābho ‚yaṃ prapañcaścidacinmayaḥ |
iti pramīyate brāhmī vibhūtirna niṣidhyate || 33

By the abundance of different examples like of clay, iron, seed and by statements in scripture like „by the swelling of its power, fire could not burn gras, water could not sink it, wind was unable to shake it“. „By the recognition of a highest everything else would be known“. (The first point likely refers Chandogya Upanishad section 6.1, verse 4 (yathā somyaikena mṛtpiṇḍena …) while the second refers to the story of Agni not being able to ignite a blade of grass and Vayu not being able blow it away told in Kena Upanishad part 3 beginning with verse 16. ) By these texts and authoritaive texts based on them it is recognised that this world, which us made up of spiritual and non-spiritual things, gets its being from Brahman being their self. Hence, the power of Brahman to bring things into being is not negated.

tanniṣedhe samastasya mithyātvāllokavedayoḥ |
vyavahārās tu lupyeran tathā syādbrahmadhīr api || 34
vyāvahārikasatyatvān mṛṣātve ‚py aviruddhatā |
pratyakṣāder iti mataṃ prāgeva samadūduṣam || 35

Negating this would make everything untrue and destroy the meandingful use of words – both in worldy and Vedic context. The same would be true for the perception of Brahman. The teaching that perception and other means of knowledge are untrue while not in conflict with the perception of the world has already been refuted.

ataś copaniṣajjātabrahmādvaitadhitadhiyā jagat |
na bādhyate vibhūtitvādbrahmaṇaś cety avasthitam || 36

Hence we conclude that perception via the senses is not canceled by the Upanishad statement that Brahman does not have a second. Instead, it is the unfolding of the creative power of Brahman.

Subsection: discussion of claims that the world does not actually exist

nanu sattve prapañcasya nāstīti pratyayaḥ katham |
asattve vā kathaṃ tasminnastīti pratyayo bhavet || 37

But if the world is existing, how can the idea „it exists not“ come about? And vice versa, if the world is non-existing, how can the idea „it does exist“ come about? One thing that is existing and non-existing is impossible.

sadasattvaṃ tathaikasya viruddhatvād asambhavi |
sadasatpratyayaprāptaviruddhadvandvasaṅgame || 38
tayor anyatarārthasya niścayābhāvahetutaḥ |
sadasattvaṃ prapañcasya jainās tu pratipedire || 39
|81|

Because of the occurance of this conflicting pair of statements, which is generated by the idea of existing and non-existing, a decision [which one is correct] cannot be made, and hence the Jainas claim that the world is existing and non-existing.

sattvaprāptiṃ puraskṛtya nāstīti pratyayodayāt |
sadā sattvaṃ prapañcasya sāṅkhyās tu pratipedire || 40
sadasatpratyaya prāptaviruddhadvandvasaṅkaṭe |
virodhaparihārārthaṃ sattvāsatatvāṃśabhaṅgataḥ |
sadasadbhyām anirvācyaṃ prapañcaṃ kecid ūcire || 41
|84|

In contrast to this, the Sāṃkhyas always accepted that the world is everlasting because the idea „it exists not“ can only be formed after the existence was recognized. In order to resolve incompatibility in case of a narrow[ly defined] duality, which comes due to the ideas of existing and non-existing, some – because they discarded both parts of the statement – said that the world is neither existing nor nonexisting.

sattvāsattve vibhāgena deśakālādibhedataḥ |
ghaṭāderiti manvānā vyavasthāmapare jaguḥ || 42
tadevaṃ vādisammardāt saṃśaye samupasthite |
nirṇayaḥ kriyate tatra mīmāṃsakamatena tu || 43

Others insist that things like a pot are sepaerately existing and non-existing because of differences in space and time. But while the representants of the different schools wear each other out in arguments, we still come to a conclusion with the help of the teachings of Mīmāṃsa.

ghaṭasvarūpe nāstitvamastitvaṃ yadyabūbudhat |
syādeva yugapatsattvamasattvaṃ ca ghaṭādiṣu || 44
idānīm idam atrāsti nāstītyevaṃvidhā yataḥ |
deśakāladaśābhedād astināstīti no dhiyaḥ || 45

If one has with regard to the nature of the pot recognized that it exists and does not exist, a parallel occurrence and non-occurrence of the pot and other things could exist. Our concepts of „it exists“ and „it exists not“ are as follows: [We think] „now it exists here“ or „now it exists here not“, hence we have the idea about the pot etc that it exists or does not exist in distinctions of space and time.

ato deśādibhedena sadasattvaṃ ghaṭādiṣu |
vyavasthitaṃ nirastatvād vādasyeha na sambhavaḥ || 46
nanu deśādisambandhaḥ sata evopapadyate |
na deśakālasambandhādasataḥ sattvam iṣyate || 47

The Jaina teaching (that the world is existing and non exististing at the same time) is thus not possible and was refuted.
[Objection] The connection with factors like space and time is only possible for things in being. We do not assume that non-being things come into being due to connections with space and time.

sambadho dvyāśrayastasmātsataḥ sattvaṃ sadā bhavet |
asataḥ kārakaiḥ sattvaṃ janmanetyatidurghaṭam || 48
ādyantavān prapañco ‚taḥ satkakṣyāntarniveśyate |
uktaṃ ca – ādāvante ca yannāsti nāsti madhye ‚pi tattathā iti |
ato niścitasadbhāvaḥ sadā sann abhyuyeyatām || 49

Connections have two real substrates . Hence, something that exists is always existing. But that something non-being comes into being due to causal factors is utterly imposssible.
The world of senses with its beginning and end hence falls into the area of the being. Because it is taught „what does neither exist in the beginning nor the end, does not exists in between“. (This may refer to statements like Bhagavad Gīta Chapter 2. verse 16: „The unreal has no being, the real has no non-being. The essence of both is seen by the truth-seers“.)
Hence, that what is found to be being is always being.

asataḥ sarvadāsattvaṃ janyayogāt khapuṣpavat |
asattve na viśeṣo ’sti prāgatyantāsator iha || 50

That what is non-being is always non-being due to the impossibility of coming into being. On that what is non-being, there is no difference between a previous non-being and a permanent non-being.


With the next verse, the discussion jumps to the topic of the meaning of the mahavakya tat tvam asi. The scholar argues that this jump makes no sense from the perspective of the preceding discussion, hence it is an indication for a lost section of the Saṃvatsiddhi. We agree with him. The discusussion on tat tvam asi will be presented in Saṃvatsiddhi Part 2.

Adiyēn Mādhava Rāmānuja Dāsan


References

[1] Yāmunācāryas Saṃvatsiddhi – Kritische Edition, Übersetzung und Anmerkungen. Mit einem Rekonstruktionsversuch der verlorenen Abschnitte – Roqie Mesquita, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Wien 1988

Śrīranga Gadyam

Śrīḥ
Śrīmathē śatakōpāya namaḥ
Śrīmathē rāmānujāya namaḥ
Śrīmath varavaramunayē namaḥ
Śrī vānāchala mahāmunayē namaḥ

Es ist wohl kaum möglich die Bedeutung, die der große Āchārya Rāmānuja für unsere Tradition hat, zu überschätzen. Daher ist es umso bemerkenswerter, dass seine Texte im Allgemeinen nicht die Schwerpunkte der Lese- und Rezitationspraxis der meisten Śrī Vaiṣṇavas sind. Das liegt daran, dass unter den neun Texten, die Rāmānuja uns hinterlassen hat, fünf anspruchsvolle philosophische Schriften sind:

  • Vedārtha Saṅgrahaḥ, dies bedeutet „Zusammenfassung der Bedeutung der Veden“. Dieser Text ist vermutlich der erste Text, den Rāmānuja veröffentlicht hat – er beschreibt die philophische Position unserer Tradition in Abgrenzung zur Advaita Philosophie und anderen Denkschulen, siehe dazu auch unsere Philosophie. Eine englische Zusammenfassung ist hier verfügbar.
  • Śrī Bhāshya, der Kommentar unserer Traditon zum Brahma Sūtra, einem kryptischen, aber von allen Hindu-Linien als authoritativ angesehenen Text, der scheinbare Widersprüche zwischen den verschiedenen vedischen Texten auflöst.
  • Bhagavad Gītā Bhāshya, ein Kommentar zur Bhagavad Gītā. Rāmānuja hat hier allem Anschein nach die Denklinien, die sein Guru Yamunāchārya in seiner Zusammenfassung der Gītā, dem Gītārtha Saṅgrahaḥ angelegt hat, aufgenommen und erweitert. Eine englische Übersetzung ist unter githa.koyil.org verfügbar.
  • Vedāntadipa, eine kurze Zusammenfassung des Śrī Bhāshya.
  • Vedāntasāra, eine etwas ausführlichere Zusammenfassung des Śrī Bhāshya.

Diese Texte sind alle mehr oder weniger schwere Kost für Leser, die sich nicht schon lange mit Vedanta beschäftigen und sich in den Vedischen Texten gut auskennen. Aus diesem Grund gibt es Kommentare / weitergehende Erläuterungen dieser Texte, die sie „normalen“ Lesern erst verständlich machen, aber die Texte auf hunderte Seiten dichter Philosophie und Logik ausdehnen. Dies macht die nicht-wissenschaftlichen Texte von Rāmānuja, die drei Gadyams, für uns so wertvoll. Ein Gadyam ist Text, der keine Reime nutzt, aber trotzdem eine harmonische und melodische Sprache hat. Die Gadyams sind verhältnismäßig kurz und einfach, vermitteln aber trotzdem tiefe Einblicke in das Denken und die spirituelle Stimmung von Rāmānuja. Die Namen der Gadyams sind wie folgt:

  • Saranāgati Gadyam
  • Śrīranga Gadyam
  • Śrīvaikunta Gadyam

Das Śrīranga Gadyam ist unter diesen drei Texten der kürzeste und befasst sich mit der Verehrung von Śrī Raṅganatha – also dieselbe Bildgestalt, die auch im Thirumālai und im Amalanādhipirān besungen wurde.

Hier eine sehr schöne Rezitation des Śrīranga Gadyams:

Thanian

chidhachithparathathvānāṃ tattvayāthāthmyavedine |
rāmānujāya munaye namo mama garīyase
||

Er, der die wahre Natur der drei Tattvas, der bewussten und der unbewussten Einheiten (Chit / Achit) und der höchsten Einheit (Param, Śrīman Nārāyaṇa) kennt, Rāmānuja, der Weise (Muni), der große Lehrer, ich verbeuge mich vor Ihm.

Abschnitt (Chūrnai) 1

svādhīna thrividha chethnā chethanasvarupa sthithi pravṛtti bhedhaṃ,
kleśa karmādhyaśeṣa doshāsamspṛṣṭaṃ,
svābhāvikānavadhikāthiśaya jñānabalaiśvarya vīrya
śakti tejas sauśeelya vāthsalya mārdhavārjava
sauhārda sāmya kāruṇya mādhurya gāmbhīryaudhārya
chāthurya sthairya dhairya śaurya parākrama
sathyakāma sathyasankalpa kṛtitva kruthajñādyasankhyeya
kalyāṇa guṇagaṇougha mahārṇavaṃ,
parabrahmabhutham,
puruṣottamam,
śrīranga śāyinam,
asmatsvāminam,
prabuddha nithya niyāmya nithya dāsyaikarasātma svabhāvo’haṃ,
thadhekānubhavaḥ thadhekapriyaḥ,
paripurṇam bhagavantham viśadhathamānubhavena nirantharamanubhuya, thadhanubhava janitha anavadhikāthiśaya prīthikāritha
aśeshavasthochitha aśesha śeshathaikarathirupa nithya kinkaro bhavāni ||

Zeile für Zeile

svādhīna thrividha chethnā chethanasvarupa sthithi pravṛtti bhedhaṃ

Du selbst kontrollierst die drei Arten der bewussten Wesen (baddha, mukta und nitya Āthmās, also gebundene, befreite und ewig freie Āthmās), ihre grundlegende Natur, ihre Aktiväten, Erhaltung und ihre Unterschiede.

kleśa karmādhyaśeṣa doshāsamspṛṣṭaṃ,

Leid, vergangene Taten und all das, es lässt keine Spur, all die Fehler, sie berühren ihn (der als Überseele im Innersten des Āthmā weilt) nicht.

svābhāvikānavadhikāthiśaya jñānabalaiśvarya vīrya
śakti tejas

Deine Natur ist grenzenlos, wundersam und erhaben, sie ist Kraft, Herrschaft, Tapferkeit, Energie und Macht.

sauśīlya vāthsalya mārdhavārjava
sauhārda sāmya kāruṇya mādhurya gāmbhīryaudhārya

chāthurya sthairya

Sie ist Einfachheit (die Natur von Nārāyaṇa ist es, keinen Unterschied zwischen ihm und anderen zu sehen), Verzeihen (vāthsalyaer trägt seinen Anhängen ihre Fehler nicht nach, sondern entfernt sie), Weichheit (obwohl seine Macht grenzenlos ist, zwingt er seine Anhänger nicht, bei ihm zu bleiben. Verlassen sie ihn, ist er betrübt – er nutzt seine Macht nicht, um sie zum Bleiben zu zwingen), Ehrlichkeit, gute Wünsche für alle, er bevorzugt niemanden wegen seiner Herkunft oder seinen Handlungen, Fülle an Mitleid, Eleganz, voller Tiefe, Wunscherfüller, voller Vergebung, der Beständige (wenn er einmal den Beschluss gefasst hat, einen seiner Anhänger zu schützen, kann ihn nichts davon wieder abbringen).

dhairya śaurya parākrama

Sie (deine Natur) ist Wagemut, Heldenmut und die Fähigkeit zu Führen,

sathyakāma sathyasankalpa kṛtitva kruthajñādyā

(Für Deine Anhänger bis Du) die wahre Sehnsucht und der wahre Geistesfokus,

asankhyeya kalyāṇa guṇagaṇougha mahārṇavaṃ,

unzählbare glückbringende Eigenschaften, ganze Bündel solcher Eigenschaften, Wellen und Fluten von ihnen, ein ganzer Ozean.

parabrahmabhutham,

Du bist das höchste, das absolute Wesen,

puruṣottamam,

Du bist der Herr der Purushas (gebundene Āthmās, befreite Āthmās, ewig freie Āthmās, siehe oben).

śrīranga śāyinam,

Der, der in Śrī Rangam für alle sichtbar ist (anstatt unnahbar im Transzendentalen zu weilen)

asmatvāminam

Mein Herr.

prabuddha nithya niyāmya nithya dāsyaikarasātma svabhāvo’haṃ,

Mein Wissen ist groß, denn ich weiß, dass der Herr mich für immer kontrolliert, – doch sein Dienst ist süß, denn es ist die Natur unserer Selbst.

thadhekānubhavaḥ thadhekapriyaḥ

Die eine Erfahrung, die eine Höchste (nur die Erfahrung des Herrn ist wirklich relevant),

paripurṇam bhagavantham viśadhathamānubhavena nirantharamanubhuya,

Den Herrn in seiner Fülle, in großer Klarheit und ohne Hürden, so wurde er erlebt.

thadhanubhava janitha anavadhikāthiśaya prīthikāritha
aśeshavasthochitha aśesha śeshathaikarathirupa nithya kinkaro bhavāni

Geboren aus dieser Erfahrung, grenzenlos, erhaben, ganz und gar und hervorgebracht durch Liebe, mache mich zu Deinem Diener, erfüllt von Liebe, und im rechten Zustand, der rückhaltlos zu Deinen Diensten ist.

Śrīman Nārāyaṇa mit Mahālakshmī, aus dem Nabel Nārāyaṇas entspringt der Demiure Brahma

Abschnitt (Churnai) 2

svāthma nithya niyāmya nithya dhāsyaikarasa – āthma
svabhāvānusandhāna pūrvaka
bhagavadhanavadhikāthiśaya
svāmyādhyakila guṇagaṇānubhavajanitha
anavadhikāthiśaya
prīthikāritha – aśeshāvasthochitha
aśeshaśeshathaikarathirūpa
nithya kainkarya prāpthyupāya bhūtha bhakthi
thadhupāya samyak gyāna,
sthadhupāya
amīchīnakriyā, thadhanuguṇa sāthvika – dhāsthikyādhi samasthāthma guṇavihīna:

dhuruththarānantha thadh viparyaya gyāna kriyānuguṇa – anādhi pāpavāsanā mahārṇavānthar nimagna:

thilathailavath dhāruvahnivath dhurvivecha
thriguṇa kshaṇaksharaṇa svabhāva
achethana prakruthi vyāpthi rūpa
dhurathyaya
bhagavanmāyā thirohitha svaprākaśa:

anādhyavidhyā sanchitha – ananthāśakya
visramsana karmapāśa pragrathitha:

anāgathānanthakāla samīkshayāpi adhrushta santhāropāya:

nikhila janthu jātha śaraṇya!
śrīman! nārāyaṇa!
thava charaṇāravindha yugalam śaraṇamaham prapadhye ||

Zeile für Zeile

svāthma nithya niyāmya nithya dhāsyaikarasa – āthma
svabhāvānusandhāna pūrvaka
bhagavadhanavadhikāthiśaya
svāmyādhyakila guṇagaṇānubhavajanitha
anavadhikāthiśaya
prīthikāritha – aśeshāvasthochitha
aśeshaśeshathaikarathirūpa
nithya kainkarya

Der erste Abschnitt ist laut unseren Āchāryas eine Wiederholung des ersten Churnais. Rāmānuja wiederholt noch einmal, dass er der Diener des Herren ist und dies seine Natur ist. Er wiederholt auch in kurzer Form noch einmal die Attribute des Herren, die oben bereits ausführlich beschrieben wurden. Die lebendige Erfahrung dieser Attribute erweckt in ihm das Verlangen nach ununterbrochenenen, liebevollen Dienst am Herren:

nithya kainkarya prāpthyupāya bhūtha bhakthi

Der ewigen Dienst, er wird erreicht durch reine Hingabe.

thadhupāya samyak gyāna,

Diese Hingabe wird erreicht durch wohlgeformtes Wissen.

sthadhupāya amīchīnakriyā,

Dieses wird durch richtiges Handeln erworben.

thadhanuguṇa sāthvika – dhāsthikyādhi samasthāthma guṇavihīna:

Doch die guten Eigenschaften hierfür, Sattva (Reinheit / Klarheit, Ausgeglichenheit) und der feste Glaube an den Herrn, ich habe sie nicht.

dhuruththarānantha thadh viparyaya gyāna kriyānuguṇa – anādhi pāpavāsanā mahārṇavānthar nimagna:

Anstatt der Weisheit und der guten Taten, die für Bhakti und die Erfahrung der wunderbaren Qualitäten des Herrn nötig sind, habe ich das falsche Wissen und und tue falschen Taten, im großen Ozean (von Samsara, dem Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt) bin ich versunken.

thilathailavath dhāruvahnivath dhurvivecha

So wie das Öl nicht vom Sesam und das Feuer nicht vom Dhāru (einer bestimmten Holzart) getrennt werden kann…

thriguṇa kshaṇaksharaṇa svabhāva

… so sind es die drei Guṇas im Moment des Wechsels (wenn das Āthma wieder einen physischen Körper annimmt).

achethana prakruthi vyāpthi rūpa

Unbewusste Materie, überall verteilt (das Āthma ist mit ihr verbunden, so lange es in Samsāra weilt).

dhurathyaya bhagavanmāyā thirohitha svaprākaśa:

Dieser Schleier des Herrn, er versteckt das, was aus sich leuchtet.

anādhyavidhyā sanchitha – ananthāśakya
visramsana karmapāśa pragrathitha:

Anfangsloses Unwissen, das endlose Büdel des angesammelten Karmas, ich bin unfähig dieses Seil zu lösen, das mich am Boden hält.

anāgathānanthakāla samīkshayāpi adhrushta santhāropāya:

Auch in endloser Zukunft, auch bei genauster Betrachtung, ich sehe keinen Pfad es (Samsāra, den Kreislauf aus Tod und Wiedergeburt) zu überschreiten.

nikhila janthu jātha śaraṇya!

Doch alle Wesen, die geboren wurden, haben Zuflucht!

śrīman! nārāyaṇa!

Śrīman Nārāyaṇa

thava charaṇāravindha yugalam śaraṇamaham prapadhye ||

Deinen Lotusfüßen ergebe ich mich, sie sind mein Halt.
(Diese Haltung ist Aufgabe, Prapatti – siehe dazu auch den Artikel „Unsere Philosphie)

Śrīman Nārāyanạ

Abschnitt (Churnai) 3

evam avasthithsayāpi arthithva māthreṇa
parama kāruṇiko bhagavān svānubhava prīthyā upanītha – aikānthikāthyanthika nithya kainkaryaikarathirūpa nithyadhāsyam dhāsyathīthi
viṣvāsa pūrvakam bhagavantham nithya kinkarathām prārthaye ||

evam avasthithsayāpi arthithva māthreṇa

Zeile für Zeile

Wer dies tut (auch ohne die philosophischen Hintergründe zu verstehen) und nur betet (weil er noch nicht in der Lage ist, dem Herren zu dienen)

parama kāruṇiko bhagavān

Der Herr, mit großer Gnade (sieht er auf die Wesen)

svānubhava prīthyā upanītha – aikānthikāthyanthika
nithya kainkaryaikarathirūpa

Selbst erfahren und eingeweiht in die Liebe, in was ein Anfang, aber kein Ende hat, den ewigen Dienst an der Form, der mein Herz gehört.

nithyadhāsyam dhāsyathīthi

Gib uns ewigen Dienst.

viṣvāsa pūrvakam

Fester Glaube ist die Vorrraussetzung.

bhagavantham nithya kinkarathām prārthaye

Betet für den ewigen Dienst am Herren.

Abschnitt (Churnai) 4 und 5

thavānubhūthi sambhūtha prīthikāritha dhāsathām!
dhehi me krupayā nātha! na jāne gathimanyathā ||

sarvāvasthochithāśesha śeshathaikarathis thava |
bhaveyam puṇdarīkāksha! thvamevaivam kurushva mām ||

Zeile für Zeile

thavānubhūthi sambhūtha prīthikāritha dhāsathām!

Gib uns die Erfahrung Deiner, sie fußt auf Liebe, sie wird durch den Dienst hervorgerufen.

dhehi me krupayā nātha! na jāne gathimanyathā ||

Bitte, sei mein Herr, ich weiß keinen anderen Weg.

sarvāvasthochithāśesha śeshathaikarathis thava |

Wecke das Verlangen Dir zu Dienen, restlos, in jeder Situation.

bhaveyam puṇdarīkāksha! thvamevaivam kurushva mām ||

Deine Augen sind Lotus, lasse es geschehen, tu nur das für mich.

Abschnitt (Churnai) 6

evambhūtha thathvayāthāthmyāvabhodha thadhichchārahithasyāpi ethadhuchchāraṇa māthrāvalambanena uchyamānārtha paramārtha
nishtam me mana: thvameva adhyaiyva kāraya ||

Zeile für Zeile

evambhūtha thathvayāthāthmyāvabhodha thadhichchārahithasyāpi

So ist das Wesen, die Wahrheit, die wahre Natur, die Erkenntnis, doch ohne Verlagen.

ethadhuchchāraṇa māthrāvalambanena uchyamānārtha paramārtha
nishtam me mana:

Ich spreche diese Verse, der Geist sollte in die ihre tiefe Bedeutung versenkt werden.

thvameva adhyaiyva kāraya ||

Nur Du kannst das in diesem Moment.

Abschnitt (Churnai) 7 – Abschluss

apāra karuṇāmbudhe! anālochitha viśesha – aśesha lokaśaraṇya! praṇathārthihara! āśritha vāthsalyaika mahodhadhe! anavaratha vidhitha nikhila bhūthajātha yāthāthmya!

Er ist ein Ozean der Gnade, ohne Grenzen. Er unterscheidet nicht, den Menschen Zuflucht, ohne etwas zurück zu lassen.
Er entfernt die Trübsal seiner Anhänger, seine Zuneigung für die, die von ihm abhängen, ist groß wie der Ozean.

sathyakāma!
sathyasankalpa!
āpathsaka!
kākuthstha!
śrīman nārāyaṇa!
purushoththama!

śrīranganātha! mamanātha! namosthu the ||

Mein wahres Verlangen!
Mein wahrer Geistesfokus!
Mein Freund in Gefahr!
Nachkomme von Kākuthstha (ein Name von Rāma)!
Śrīman – der Ehemann von Śrī, Nārāyaṇa
Höchstes aller Wesen
Herr von Śrīrangam! Mein Herr! Ich verneige mich vor Dir!


Adiyēn Mādhava Rāmānuja Dāsan
Übersetzung Englisch – Deutsch
Adiyēn Krishna Rāmānuja Dāsan
Übersetzung auf Englisch

Mudhal Āḻvārs – die ersten drei Āḻvārs

Viel wurde über die Āḻvārs geschrieben, die 12 poetischen Heiligen, deren Verse das Herz der südlichen Linie der Śrī Vaiṣṇavas bilden, zu der auch das koyil.de Projekt gehört. Dieser Text befasst sich mit den ersten drei Āḻvārs, die kurz hintereinander auf dieser Welt erschieben und bei denen bereits vieles angelegt wird, was spätere Āḻvārs wie Nammāḻvār oder Periyāḻvār in wundervolle Worte fassen werden. In unserer Linie werden die ersten drei Āḻvārs oft zusammen als Mudhal Āḻvārs gefasst, Mudahl bedeutet auf tamilisch „früh“.

Es gibt eine gut hunder Jahre alte Debatte darüber, wie die Āḻvārs zeitlich einzuordnen sind. Unsere Tradition legt Wert darauf, dass sie in alter Zeit, zu Beginn des aktuellen Kali Yugas vor etwa 4000 Jahren gelebt haben. Die akademische Forschung platziert sie im 7. – 9. Jahrhundert unserer Zeit. Das Problem mit der Festlegung des historischen Alters der Āḻvārs ist, dass es kaum schriftlichen Belege über irgendetwas in Indien vor dem 9. / 10. Jahrhundert unserer Zeit gibt. Dies liegt vor allem daran, dass muslimische Invasoren im Laufe des 10. Jahrhunderts unserer Zeitrechnung begannen, Indien zu erobern und alle Universitäten und Bibliotheken, die sie vorfanden, verbrannten.

Wir haben den Eindruck, dass die akademische Datierung so funktioniert, dass in den Versen nach Bezügen zu Tempeln und Orten Ausschau gehalten wird, um dann zu schlussfolgern, dass Tempel X im Jahr Y gebaut wurde, daher kann der Autor der Verse nur einige Jahr vor dem Jahr Y geboren worden sein. Das Problem mit diesem Ansatz ist, dass die heutigen Tempel i.d.R. ältere Bauwerke ersetzt haben oder umfangreiche Umbauten dieser älteren Bauswerke darstellen. Viele im 11. und 12. Jahrhundert unserer Zeitrechnung neu gebaute Tempel hatten zudem Vorgängerbauten aus Holz, deren Spuren sich aufgrund der schnellen Zersetzung von Material im Klima Indiens heute nicht mehr nachweisen lassen.

Die Gedichte der Āḻvārs beschreiben dazu noch meistens die Bildgestalt und die Umgebung des Temples, nun nicht die Details des Tempelgebäudes. Zum Beispiel sehen wird Verweise auf die Lage auf einer Insel und auf die hohen Mauern des Śrīraṇgam Tempels im Thirumālai, aber wichtige und bekannte Merkmale des heutigen Tempels wie die Halle der Tausend Säulen oder die goldenen Vimanas (Spitzen) einiger Tempelgebäude finden keinerlei Erwähnung. Aus diesem Grund halten wir diesen Ansatz zur Datierung für fragwürdig.

Insgesamt ist die Menge an Informationen, die wir über das Leben der Āḻvārs haben, ausgesprochen beschränkt. Das ist kein Wunder: die Āḻvārs und ihre Verse waren zur Zeit von Nāthamuni, einem Vorgänger von Rāmānuja, der im 9. Jahrhundert unserer Zeit erschien, so gut wie vergessen. Was wir wissen wurde durch Nammāḻvār übermittelt, der mit Hilfe der Nachkommen von Nammāḻvārs Schüler Madhurakaviāḻvār vor Nāthamuni erschien. Madhurakaviāḻvār war ein fähiger Yogi, der in der Lage war, sein Leben außerordendlich zu verlängern (er verließ seinen Körper vermutlich nur einige Jahrzehnte vor der Zeit von Nāthamuni). Nāthamuni verbindet daher die Zeit der Āḻvārs mit der Zeit der Āchāryas, die mit ihm begann. Von Nāthamuni an wurden die Lebensgeschichten der Āḻvārs in der Linie der Āchāryas weiter gegeben, zusätzlich hat sich einiges an Folkore entwickelt.

Poigai Āḻvār

Die akademische Forschung platziert Poigai Āḻvār im 7. Jahrundert, unsere Tradition berichtet von seiner Geburt am Ende des letzten Zeitalters (dem Dvapara Yuga), also ca. im Jahr 4.200 vor unserer Zeitrechnung. Er wurde im tamilischen Monat Aippasi geboren, der normalerweise im Bereich Oktober / November liegt. Dies ist in Südinden der kälteste Monat, die Temperaturen überschreiten selten 30° Celsius. Da er im Dvapara Yuga geboren wurde, war seine Lebensspanne gemäß der vedischen Lehren deutlich größer als die von heutigen Menschen.

Er wurde in der Nähe des Yathothkari Perumal Tempels in einem Ort namens Thiruvekkā geboren, der in Kanchipuram liegt- einem Ort, der etwa 50km westlichen der Küste Tamil Nadus zum Golf von Benganeln liegt, im Südwesten der heutigen Stadt Chennai. Er und die beiden Āḻvārs, die in den beiden Tagen nach seiner Geburt geboren wurden (Bhūta Āḻvār und Pey Āḻvār) hatten keine menschlichen Mütter, sondern erschienen auf Blumen. Poigai Āḻvār wurde auf einem kleinen Teich auf einer Lotusblüte gefunden.


Blick in den Yathothkari Perumal Tempel, wie er heute aussieht

Es gibt einige alternative Namen, unter denen der Āḻvār bekannt ist. Poigai bedeutet im tamilischen kleiner Teich und Āḻvār bedeutet „versenkt in die Hingabe an Gott“. Verbreitete alternative Namen sind „Saro Yogi“, was im Sanskrit „wesentlicher Yogi“ beudeutet, sowie Saro Munīndar, was eine ähnliche Bedeutung hat, und Kāsāra Yogi, was „Yogi aus dem Teich“ bedeutet.

Sehr wenig ist über seine frühen Jahre bekannt, außer dass er Srīman Nārāyaṇa seit jungen Jahren sehr hingegeben war und schnell großes spirituelles Wissen erwarb. In seinen späteren Jahren lebte er als Eremit an verborgenen Stellen im Wald lebte, häufig wanderte er auch große Distanzen zu Tempeln, um den Nektar der Präsenz der Bildgestalten dieser Tempel zu genießen.

Ein Höhepunkt seines Lebens war sicherlich das Treffen mit den anderen beiden frühen Āḻvārs. Über das werden wir berichten, wenn wir die andern beiden frühen Āḻvārs vorgestellt haben. Bevor wird das tun, möchten wir aber noch ein wenig Hintergrund zu der Zeit geben, in der die Āḻvārs erschienen.

Auch wenn die Menschen im letzten Zeitalter, dem Dvapara Yuga, im Allgemeinen spirituell weitaus fortgeschrittener waren als wir, wissen wir doch aus dem Gespräch von Kṛṣna mit seinem Freund Arjuna, welches als Bhagavad Gītā bekannt wurde und das nur wenige Jahrzehnte vor der Erscheinen der Āḻvārs statt fand, dass viel spirtuelles Wissen zu dieser Zeit verloren gegangen war. Die Menschen folgten allen religiösen Kodizes und Praktiken, die in den Veden und und Schriften zum rechten Verhalten (Dharma Shastras) festgelegt waren. Aber ihnen fehlte ein Verständnis der Essenz, um was es in all dem, was sie taten, wirklich ging, was wirklich wichtig war und was nicht. Diese Essenz wird von Kṛṣna in der Bhagavad Gītā gelehrt und wir dürfen annehmen, dass die Gītā erst im Laufe der Zeit die Relevenz gewann, die sie heute hat. Weil die Menschen zumeist an dem formellen, ritualistischen Aspekt der vedischen Religion verhaftet waren, waren die Āḻvārs, die eine intime, liebevolle und eher informelle Beziehung zu Nārāyaṇa hatten, zumeist auf sich allein gestellt.

Poigai Āḻvār hinterließ uns ein Werk namens „Mudhal Thiruvandhadhi“, ein göttlichen Gedicht von 100 Versen auf tamilisch. Hier ist der erste, Vers, der das Gedicht einführt:

Vaiyam takaḷiyā vārkaṭalē neyyāka
veyya katirōṉ viḷakkāka – ceyya
cuṭar āḻiyāṉ aṭikkē cuṭṭiṉēṉ col
mālai iṭarāḻi niṅkukavē eṉṟura

Die Erde als Schale, die Ozeane als Ghee und die Sonne mit heißen Strahlen als Licht,
Ich widme diese Girlande aus Wörtern, die sagt ‚beseitige diesen Ozean aus Hindernissen‘ den heiligen Füßen dessen, der das Chakra mit gleißendem roten Licht führt.
[Srīman Nārāyaṇa]

Nach der Einführung der anderen beiden Āḻvārs werden wir mehr über das hier benutze Bild der Erde als Ghee-Lampe lernen. Dies ist eine Lampe, deren Brennstoff geklärte Butter ist – diese wird traditionell bei der Verehrung von Bildgestalten verwendet.

Es ist in unserer Traditon üblich, dass jede große Persönlichkeit aus der einen sogenannte Thaniyan hat, einen Würdigungsvers, der den Ruhm und die Verdienste der jeweiligen Person zusammen fasst. Dieser Thaniyan wird rezitiert, befor wir die Werke der jeweiligen Person rezitieren. Hier ist der Sanskrit Thaniyan von Poigai Āḻvār:

kāñcyām sarasi hēmābjē jātaṃ kāsārayōginam |
kalayē yaḥ śriyaḥpatayē raviṃ dīpaṃ akalpayat ||

Ich meditiere über Kāsārayōgi, der in einem goldenen Lotus im Wasserbecken des Tempels in Kanchi erschien. Er opferte die Sonne als Lampe für den Herrn von Śrī. [kein anderer als Srīman Nārāyaṇa].

Der tamilische Thaniyan ist folgendermaßen:

kaidhai sēr pūmpoḻil sūḻ kachchi nagar vandhudhiththa
poygaip pirān kaviñyar pōrēṟu |
vaiyaththu adiyavargaḷ vāḻa aruntamiḻ nuṟṟanthādhi
padiviḷangach cheydhān parindhu ||

Der erste unter den Poeten, Poigai Āḻvār erschien in der Gartenstadt von Kanchipuram. Mit größtem Mitgefühl, um die Anhänger des Herrn auf der Erde zu befreien und sie zu den Lotusfüßen des Herrn zu bringen, verfasste er ein besondere Kompostion aus 100 Versen im Antaādhi Stil.

Bhūta Āḻvār

Für diesen Āḻvār gibt es eine verwirrende Vielfalt an Arten, wie der Name geschrieben wird, z.B. Bhūthathāḻvār, Budattazwar oder Bhuthath Azhwar. Das Adjektiv bhūta bedeutet auf Sanskrit rein oder auch angemessen. Er ist auch unter den Namen Bhūta Yogi, Bhūthahvayar, Mallāpuravarādhīshar und Pudhathar. Uns liegen keine Informationen über die exakten Bedeutungen dieser Namen vor.

Er erschien an dem Tag nachdem Poigai Āḻvār erschien. Bhūta Āḻvār wurde in Mahabalipuram (auch Māmallapuram genannt) geboren, ein Dorf am der Ostküste von Tamil Nadu am Golf von Bengalen im Süden von Chennai. Er erschien also etwas 50km östlich von dem Ort, wo Poigai Āḻvār erschien. Auch Bhūta Āḻvār wurde nicht geboren, sondern erschien auf einer Blume – einer Kurukkathi (Sanskrit Mādhavi) Blume.

Wie bei Poigai Āḻvār ist auch bei Bhūta Āḻvār sehr wenig über sein Leben bekannt. Es wird erzählt, dass er – wie Poigai Āḻvār – seit seinen frühen Jahren Srīman Nārāyaṇa hingegeben war und ein Leben in Zurückgezogenheit führte, aber oft zu den Tempeln von Srīman Nārāyaṇa wanderte. Bekannt ist einzig das Treffen mit den anderen beiden frühen Āḻvārs, über das wir berichten werden, wenn wir den letzten der frühen Āḻvārs eingeführt haben. Bhūta Āḻvār hinterließ und das Iraṇdām Thiruvandhāthi. Hier der 5. von 100 Versen:

Aḍi mūnṟil ivvulagam anṟu aḷandāy pōlum
Aḍi mūnṟirandavani koṇdāy paḍininṟa
Nīr ōda mēni nedumālē nin aḍiyai
Yār ōda vallār aṟindu

Oh Herr mit dem Schimmer des blauen Ozeans, vor Aeonen erschienst Du, um Mahabali nach drei Schritten von Land zu fragen. Aber du brauchtest nicht einmal diese drei Schritte, um das Universum zu überschreiten. Wer kann das Geheimnis deiner Füße verstehen oder vorgeben, von ihnen zu sprechen?

Der Āḻvār bezieht sich hier auf die Geschichte von Vāmana, einem Avatar von Śrīman Nārāyaṇa, der das Universum von einem dämonischen König mit einer sehr interessanten Persönlichkeit namens Bali oder auch Mahabali zurück erhielt, und zwar durch „legale“ Mittel:

Bali war ein rechtschaffender König, hatte aber den Nektar der Unsterblichkeit erhalten und mit Hilfe dieser Gabe sowohl die Himmels- als auch die Unterwelt und die Erdreiche erobert. Die Devas ersuchten Viṣṇu (Śrīman Nārāyaṇa) um Hilfe, das Himmelsreich wieder zurück zu erhalten. Da Bali rechtschaffend und ein Anhänger von Viṣṇu war, lehnte letzterer es ab, diesem Wunsch mittels Gewalt nachzukommen. Als der König ein großes Opfer darbrachte, bei dem auch Geschenke an alle Anwesenden verteilt wurden, inkarnierte sich Viṣṇu als zwergenhafter Asket, genannt Vāmana, und bat um das Geschenk von drei Schritten an Land. Der König kam diesem Wunsch nach, doch sogleich wuchs Vāmana auf riesenhafte Form (Trivikrama genannt) an, in der er mit einem Schritt den Himmel und mit einem zweiten die Erde überschritt. Der König erkannte, dass es Viṣṇu war und bot ihm sein Haupt als Platz für den dritten Schritt an (ein Zeichen der Unterwerfung). In vielen Texten wird berichtet, dass er als Lohn dafür die Herrschaft über die Unterwelt behalten durfte.

Vāmana benutze also nicht seine Kraft oder gar Gewalt, es ist die friedlichste Inkarnation von Śrīman Nārāyaṇa. Der Name des Geburtsorts von Bhūta Āḻvār bedeutet wörtlich übersetzt „Stadt von Mahabali“. Es gibt archäologische Hinweise daruaf, dass die Stadt früher ein wichtiger Handelsplatz war, vermutlich einer der wichtigsten Häfen für den Handel zwischen dem indischen Subkontinent und dem römischen Reich. Die Stadt ist heute nicht mehr sehr groß, es gibt aber Belege dafür, dass sie früher sehr viel größer war, bevor eine Flutkatastrophe einen Großteil der Stadt zerstörte. Er erscheint also absolut plausibel, dass Bhūta Āḻvār seit seiner Kindheit viele Geschichten über Mahabali and Vāmana gehört hat, die ihn zu einem großen Anhänger von Vāmana machten.


Bild von Vāmana an einem Tempel in Rajasthan (Quelle: Wikipedia)

Sanskrit Thanian

mallāpura varādhīśaṃ madhavī kusumōdbhavam|
bhūtaṃ namāmi yō viṣṇōrjñānadīpamakalpayat ||

Ich meditiere über Bhūta Yogi, der aus einer Mādhavi Blume erschien. Er ist der erhabene Herr von Māmallapuram und opferte Viṣṇu die Lampe des Wissens.

Es gibt auch tamilische Thanians, aber wir konnten sie bisher nicht in Erfahrung bringen.

Pey Āḻvār

Pey Āḻvār (auch Peialvar, Peyalvar oder Pey Azhwar geschrieben) erschein an dem Tag nachdem Bhūta Āḻvār erschien. Wie bei Bhūta Āḻvār und Poigai Āḻvār erschien er auf einer Blume – eine rote Lilie im Falle von Pey Āḻvār, die auf einem Teich in der Nähe des Adi Keśava Temples im heutigen Chennai. Pey bedeutet „besessen“ im Tamilischen, da Pey Āḻvār auf Außenstehende wirkte wie jemand, der besessen ist. Diese Erscheinung kommt daher, dass er so in Gedanken an Viṣṇu versunken war, dass er die normalen sozialen Gebräuche vergaß. Er ist auch unter den Namen Bhrantayogi, Mahathāhvayar und Mayilāpurādhiparn bekannt. Das Wort „bhranta“ bedeutet konfus, wandernd, unstet im Sanskrit. Die Bedeutung der anderen Namen ist uns nicht bekannt.

Es wir erzählt, dass Pey Āḻvār im Adi Keśava Tempel Dienste verrichtete, in dem er Girlanden aus Tulsi (Tulasī, eine indische Form von Basilikum, die von Viṣṇu sehr geschäzt wird) und Blumen gerstellte. Es gab auch Unterweisungen und Vorlesungen sowie Pañca Saṃskāram (Einweihung) für den Āḻvār, der nach ihm erschien (Thirumaḻisai Āḻvār).

Pey Āḻvār hinterließ und ein Werk, das Mūnṛām Thiruvandhādhi genannt wird. Hier der 9. von 100 Versen:

Kaṇṇum kamalam kamalamē kaittalamum
Maṇ aḻanda pādamum maṟṟavaiyē eṇṇin
Karumā mugil vaṇṇam kṝ kkaḍal nīr vaṇṇan
Thirumāmaṇi vaṇṇan tēśu

Kannst Du eine Vision beschwören von dem, dessen Farbe wie die einer dunklen Wolke ist, die es Ozeans und eines strahlenden Saphir? Dies ist die Schönheit des Herrn, wenn man sie sich vorstellen kann, mit Augen, die schauen wie ein roter Lotus und Händen und Füßen, die genau so strahlen.

Sein Thaniyan

dṛṣṭvā hṛṣṭam taḍā viṣṇum ramayā mayilādhipam |
kūpe raktotapale jātam mahatāhvayaṃ āsraye ||

Ich ergebe mich Pey Āḻvār, der Anführer von Mylapore, der auf einer roten Lilie erschien und größte Freude erfuhr, durch die Vision von Srīman Nārāyaṇa mit seiner Gefährtin Srī Mahālakṣmī.

Mudhal Āḻvārs (die drei frühen Āḻvārs zusammen)

Häufig werden die ersten drei Āḻvārs zusammen Mudhal Āḻvār genannt. Mudhal bedeutet auf tamilisch „erste“ oder „anfängliche“. Sie werden zusammen so genannt, da

  • Die Drei an darauf folgenden Tagen geboren wurd, in der Ordnung Poigai Āḻvār, Bhūta Āḻvār und Pey Āḻvār.
  • Alle drei das waren, was man im Sanskrit „ayonija“ nennt- sie waren keine Kinder menschlicher Eltern.
  • Sie waren Srīman Nārāyaṇa seit ihrer Geburt sehr hingegeben, und genossen den Segen, ihr ganzes Leben göttliche Freude empfangen zu können.

An einem Punkt an ihrem Leben trafen sie sich und blieben ab diesem Punkt zusammen, um zu verschiedenen heiligen Orten zu reisen. Sie sind im tamilischen daher auch unter dem Namen „Ōṭit tiriyum yōkikaḷ“ – die wandernden Yogis – bekannt.

Kommen wir nun zu der Geschichte, wie die drei sich trafen. Eines Tages besuchte Poigai Āḻvār den Ort Thirukovilur. Thirukovilur ist eine kleine Stadt mit vielen Tempeln, die ca 130km im Süden der heiligen Stadt Kanchipuram liegt. Poigai Āḻvār ging durch die Straßen der Stadt, zu gleichen Zeit wurde sie auch von Bhūta Āḻvār und Pey Āḻvār besucht.

Jeder, der schon einmal tropische Regionen besucht hat, weiß, wie heftig und plötzlich es dort regnen kann. Solch ein Regen begannt und Poigai suchte nach einem Unterstand. Er fand einen schmalen Gang im vorderen Bereich eines Hauses, über das gesagt wird, dass es dem Heiligen Mrigandu gehörte. Er legte sich hin, in der Erwartung die Nacht an diesem ungemütlichen und engen Platz zu verbringen. Einige Zeit später entdeckte auch Bhūta diesen Ort und als er entdeckte, dass bereits jemand an diesen Ort war, fragte er, ob es nicht noch Raum für eine weitere Person gäbe. Poigai begrüße den Fremden und erklärte, dass der Patz, der einer Person zum Liegen genügt, für zwei Personen zum Sitzen reicht.

tropischer Regen in Indien

Eine Stunde verging und ein weitere ehrenwerte und klatschnasse Person kam in den Unterstand. Er wurde durch die anderen willkommen geheißen und alle drei konnte in dem kleinen Raum – in dem einer liegen und zwei sitzen konnten – zumindest angenehm stehen. So standen die drei Āḻvārs in absoluter Dunkelheit und teilten miteinander ihre Erfahrungen mit den Herrn und seinen wundervollen Attributen.

Auf einmal fühlten sie sich extrem bedrängt. Wo sie vorher noch angenehm stehen konnte, fühlten sie nun, dass der verfügbare Platz geschrumpft ist, als ob eine vierte Person – unbemerkt von den anderen dreien – ohne Ankündigung in den schmalen Gang geschlüpft wäre und nun mit ihnen dort steht.

Es war stockfinster, doch Poigai Āḻvār wollte eine Lampe. Er nahm die ganze Erde als Lampe, das Wasser des salzigen Ozeans als Lampenöl und die Sonne als Licht. Bhūta Āḻvār erleuchtete den Ort mit seiner Liebe zum Herrn als Lampe, der Hingabe zu ihm als Lampenöl und seinem Geist als Licht. Dies ermöglicht Pey Āḻvār, zu erkennen, dass der Herr selbst mit seiner Gefährtin Srī Mahālakṣmī den Raum betreten hatte.

Gleich am Anfang seines Mūnṛām Thiruvandhādhi beschreibt Pey Āḻvār, was er erlebte:

Thirukkaṇṭēṉ poṉ mēṉi kaṇṭēṉ tikaḻum
arukkaṉaṇi niṟamum kaṇṭēṉ – cerukkiḷarum

Mir erschien die göttliche Mutter (Srī, im tamilischen auch Thiru) von wunderbarer Form und leichtetend wie die Sonne, so wie er.

Und weiter:

poṉṉāḻi kaṇṭēṉ puri caṅkam kaikkaṇṭēṉ
eṉṉāḻi vaṇṇaṉ pāl iṉṟu

Mir erschien er, der im Schlachtfeld seinen Diskus schleudert, er, der das Muschelhorn trägt, er, der dem Ozean gleicht.

Die Erscheinung des Herrn und der göttlichen Mutter inspirierte die drei Āḻvārs zu Gedichten, von denen wir bereits einen kleinen Teil gehört haben. Jeder der Āḻvārs verfasste spontan einhundert Verse, angefüllt mit Hingabe für den Herren.

Diese Werke bilden den Anfang der Viertausend Verse, die die Āḻvārs insgesamt verfasst haben und die man Divya Prabandham nennt. Sie sind die frühesten Werke einer Tradition, die später als Śrī Vaiṣṇavam bekannt werden wird. Die Āḻvārs rühmen grundsätzlich niemanden außer der göttlichen Mutter Srī Mahālakṣmī und Srīman Nārāyaṇa. Jedoch lobt der Anführer der Āḻvārs, Nammāḻvār, die ersten drei Āḻvārs in seinem Werk und lobt die Schönheit ihrer Werke und ihre Hingabe.

Es wird erzählt, dass Srīman Nārāyaṇa sich die drei Werke voller Freunde anhörte. Danach verschwand er, aber nicht ohne sie zu segnen. Von diesem Punkt an wanderten sie gemeinsam zu Tempeln und heiligen Orten. Die Folklore sagt, dass die drei Āḻvārs dabei mit zwei besonderen Begegnungen gesegnet wurden:

  • Sie kamen in die Gegenwart von Srī Rāma und seinen Gefährten aus der Rāmāyana, insbesondere Rāmas jüngerer Brunder Śatrughna, Hanumān und andere.
  • Sie hatten eine besondere Begegnungn mit Veṅkaṭēśvara, der Bildgestalt eines der wichtigsten Viṣṇu Tempel, die es in Indien gibt. Dieser Tempel wird Tirumala Venkateswara Tempel genannt und liegt in Tirupathi, etwa 130km nördlich von der Gegend, in der die Āḻvārs erschienen. Der Tempel ist auf dem Tirumala Hügel, der selbst ein ausgesprochen heiliger Ort ist. Aus diesem Grund gingen die Āḻvārs zu diesem Ort aber zögerten, auf den Hügel zu steigen. Daher kam Veṅkaṭēśvara den Hügel herunter, um die Drei an dem Ort zu treffen, an dem sie waren. Einige sagen, dass der alte Name eines Teiches am Hügel – Āḻvār Theertham (heutzutage meistens Kapila Theertham genannt) – an diese Begegnung erinnert.

Adiyēn Mādhava Rāmānuja Dāsan

Mudhal Āḻvārs – the first three Āḻvārs

Much has been written about the Āḻvārs, the 12 poetic saints whose poems form the very heart of the southern branch of Śrī Vaiṣṇavam, to which the koyil project is affiliated. This text deals with the first three Āḻvārs, who appeared shortly after another and who already indicate the spiritual directions on which later Āḻvārs like Nammāḻvār or Periyāḻvār will sing many wonderful words. In our tradition, the first three Āḻvārs are often adressed together als Mudhal Āḻvārs. Mudahl means „early“ in Tamil.

There is a century old debate on how ancient the Āḻvārs are. Our tradition has it that they are very ancient, academic research places them in the 7th to 9th century C.E. The problem with fixing the historical date of the Āḻvārs is that there is scant written evidence on anything in India before the 9th / 10th century C.E.. This is mainly due to the Muslim invaders burning down all universities, books and libraries they found. We have the impression that academic dating is based on the method of looking at references to temples and towns in the poems of the Āḻvārs and then concluding that temple X was built around year Y, therefore the author of the poem can be born a bit before Y at the earliest. The problem with this approach is that the present stone temples are often replacements / major renovations of older temples. Additionally, many temples newly build in the 9th to 11th century C.E. had likely predecessors made of wood and other perishable materials. The Āḻvārs usually address the deity and the surroundings of the temple, not the actual temple building. As example, we only see references to the island location and strong walls of Śrīraṇgam in Thirumālai, things like the thousand pillar hall or the beautiful golden Vimanas are not mentioned at all. So drawing extended inference from the present temple is a somewhat questionable approach to dating.

Overall, the amount of information we have about the lifes of the Āḻvārs is very limited. No wonder: the Āḻvārs and their works were nearly forgotten at the time of Nāthamuni, a predecessor of Rāmānuja, around the 9th century C.E. What we know was transmitted from Nammāḻvār, who appeared to Nāthamuni and via the descendants of Nammāḻvār’s disciple Madhurakaviāḻvār. The latter was able to extend his life for a very long time (he left his body probably only decades or a few centuries before the time of Nāthamuni), so he connects the time of the Āḻvārs with the time of the Āchāryas, which dawned with Nāthamuni. From Nāthamuni, the life stories of the Āḻvārs were handed down in the lineage of Āchāryas.

Poigai Āḻvār

Academics place Poigai Āḻvār in the 7th Century C.E., while tradition places his birth at about the end of the last age (Dvapara Yuga), at the time around 4.200 B.C.E. He was born in the Tamil month Aippasi, which is usually somewhere in October / November. This is the coldest month in South India, with temperatures sometimes not even passing 30° Celsius. Since he was born in the Dvapara Yuga, tradition holds that his lifespan was much longer than the lifespan of today’s people.

He was born in near the Yathothkari Perumal temple in a place called Thiruvekkā, which is in Kanchipuram, a city located about 50 km away from the eastern shore of Tamil Nadu, in the south west of today’s Chennai. He and the two Āḻvārs who appeared in the days after him (Bhūta Āḻvār and Pey Āḻvār) were actually not born by a human mother but appeared on flowers. Poigai Āḻvār was found in a small pond on a lotus bud.


Inside the Yathothkari Perumal Temple complex as it is today

There are some alternative names under which this Āḻvār is known. Poigai means small pond in Tamil and Āḻvār is a Tamil term meaning „immersed in devotion to god“. Common alternative names are Saro Yogi, which is Sanskrit and means „essential Yogi“; Saro Munīndar, which has has similar meaning and Kāsāra Yogi, which means „Yogi from the pond“.

Very little is known about his early years, other that he was very devoted to Srīman Nārāyaṇa from his early years and quickly gained tremendous spiritual knowledge. In his later years, he was living as a saint-hermit in secluded places in the forest, often wandering large distances on pilgrimage to temples to enjoy the nectar of the presence of the deities in this temple.

A pinnacle in his life was certainly the meeting with the other two early Āḻvārs, of which we shall report below after having introduced them. Before doing this, we shall give a bit of background about his time.

Even though people in the last age, Dvapara Yuga, were generally much more spiritual than in this age, we know from the conversation of Kṛṣna with his friend Arjuna known as the Bhagavad Gītā, which took place a few decades before the appearance of the Āḻvār, that a lot of spiritual understanding had been lost at that time. People were following all the religious codes and practices laid down in the Vedas and the Dharma scriptures, but they lacked an understanding of the essence, of what all this is about and what really is important and what not. This essence is given by Kṛṣna in the Bhagavad Gītā, but we may assume that the Gītā became commonly known later. Because people were generally attached to the formal, ritualistic aspects of the Vedic religion, Āḻvārs who had an intimate, loving and somewhat informal relation with Srīman Nārāyaṇa were mostly on their own.

Poigai Āḻvār left us one work called „Mudhal Thiruvandhadhi“, which is a divine poem with 100 verses in Tamil. Here is the first, introductory verse:

Vaiyam takaḷiyā vārkaṭalē neyyāka
veyya katirōṉ viḷakkāka – ceyya
cuṭar āḻiyāṉ aṭikkē cuṭṭiṉēṉ col
mālai iṭarāḻi niṅkukavē eṉṟura

Using the Earth as a vessel, the surrounding ocean as the ghee and the Sun with hot rays as the light,
I rendered the garland made of words, saying ‚remove the ocean of obstacles‘, at the divine feet of Him who has the Chakra with the bright red light. [Srīman Nārāyaṇa]

After the introduction of the next two Āḻvārs we will learn a bit more of the picture he uses of the earth as ghee lamp (lamp made from clarified butter, which is traditionally used in deity worship).

It is common in our tradition that each exalted personality within the tradition has a so called Thaniyan, a verse of praise that briefly summarizes the glories of the respective personality. This Thaniyan is recited whenever we recite works from him / her. Here is the Sanskrit Thaniyan of Poigai Āḻvār:

kāñcyām sarasi hēmābjē jātaṃ kāsārayōginam |
kalayē yaḥ śriyaḥpatayē raviṃ dīpaṃ akalpayat ||

I meditate on Kāsārayōgi who manifested from a golden lotus in the temple tank of Kanchi. He offered the Sun as a lamp for the Lord of Śrī.[which is Srīman Nārāyaṇa]

The Tamil Thaniyan goes like this:

kaidhai sēr pūmpoḻil sūḻ kachchi nagar vandhudhiththa
poygaip pirān kaviñyar pōrēṟu |
vaiyaththu adiyavargaḷ vāḻa aruntamiḻ nuṟṟanthādhi
padiviḷangach cheydhān parindhu ||

The foremost among poets- Poigai Āḻvār was born in the garden city of Kanchipuram. With utmost compassion to redeem the devotees on the earth and take them to the feet of the Lord, he composed the rare composition of 100 psalms in the Antaādhi style.

Bhūta Āḻvār

For this Āḻvār, we find a confusing variety of ways how his name is spelled, for example Bhūthathāḻvār, Budattazwar or Bhuthath Azhwar. The adjective bhūta means in Sanskrit purified, proper, fit. He is also known under the names Bhūta Yogi, Bhūthahvayar, Mallāpuravarādhīshar and Pudhathar. We are not aware on the exact meaning of the last three names.

He appeared the day after Poigai Āḻvār appeared. He was born in Mahabalipuram (also called Māmallapuram), a village at the eastern shore of Tamil Nadu in the south of Chennai – so about 50km in the east of Kanchipurnam, the place where Poigai Āḻvār appeared. Also Bhūta Āḻvār was not born but rather appeared on a flower – a Kurukkathi (Sanskrit Mādhavi) flower.

Similar to Poigai Āḻvār, very little is known about his life. It is said that he was also very devoted to Srīman Nārāyaṇa from his early years on and was living a life of solitude and pilgrimage to important temples of Srīman Nārāyaṇa, just like Poigai Āḻvār. And there was the meeting with the other two early Āḻvārs, of which we shall report after introducing the last early Āḻvār. He left us the Iraṇdām Thiruvandhāthi. Let us enjoy the 5th out of 100 verses:

Aḍi mūnṟil ivvulagam anṟu aḷandāy pōlum
Aḍi mūnṟirandavani koṇdāy paḍininṟa
Nīr ōda mēni nedumālē nin aḍiyai
Yār ōda vallār aṟindu

Oh Lord with the complexion of the blue ocean, aeons ago, you manifested to ask Mahabali for three steps of land. But You scarcely needed those three steps to traverse this universe. Who can comprehend the secret of Your Feet or presume to speak of Them?

The Āḻvār is referring to the story of Vāmana, an avatar of Śrīman Nārāyaṇa (Viṣṇu), who gained back the universe which was gained by a demonic king named Bali, or Mahabali, with a very interesting personality, using „legal“ means. Hence, Vāmana did not use force but rather a sort of trick to get back the universe, donating the underworld back to this king. The name of the birth place of Bhūta Āḻvār literally means „city of Mahabali“. There is some archeologic evidence that this city has been a major trade hub at in the ancient past (likely one of the main ports for the trade between India and the Roman empire) and much larger until an ancient flood submerged the largest part of the city. So it seems perfectly plausible that Bhūta Āḻvār heard many stories about Mahabali and Vāmana from his early childhood, which made him very attached to Vāmana.


Carving of Vāmana on a Temple in Rajasthan (source: Wikipedia)

Sanskrit Thanian

mallāpura varādhīśaṃ madhavī kusumōdbhavam|
bhūtaṃ namāmi yō viṣṇōrjñānadīpamakalpayat ||

I meditate on Bhūta Yogi who manifested from a mādhavi flower. He is the exalted lord of Māmallapuram. He offered the lamp of knowledge unto Lord Viṣṇu.

There is also a Tamil Thanian, but we do not have good sources or an authoritative translation of it.

Pey Āḻvār

Pey Āḻvār (also spelled Peialvar, Peyalvar or Pey Azhwar) appeared the day of after Bhūta Āḻvār’s appearance. As Bhūta Āḻvār and Poigai Āḻvār, he appeared on a flower – a red Lilly in Pey Āḻvār’s case, which was located at a well close to the Adi Keśava temple in today’s Chennai. Pey means possessed in Tamil, since Pey Āḻvār appeared like a person possessed by spirits to outsiders. This appearance is due to him being so attracted so Viṣṇu that he did not follow normal social customs. He is also known under the names Bhrantayogi, Mahathāhvayar and Mayilāpurādhipar. The adjective bhranta means confused, wandering, unsteady in Sanskrit. We are unaware what the other two names mean.

It is said that Pey Āḻvār served in the Adi Keśava temple by preparing Tulsi (Tulasī, holy basil, a plant very dear to Srīman Nārāyaṇa) and flower garlands in the temple. He also gave lectures and Pañca Saṃskāram (initiation) to the Āḻvār who appeared after him (Thirumaḻisai Āḻvār) at that temple.

He left us a work called Mūnṛām Thiruvandhādhi. Let us enjoy the 9th out of 100 verses

Kaṇṇum kamalam kamalamē kaittalamum
Maṇ aḻanda pādamum maṟṟavaiyē eṇṇin
Karumā mugil vaṇṇam kṝ kkaḍal nīr vaṇṇan
Thirumāmaṇi vaṇṇan tēśu

Can you conjure up a vision of a from that is a dark hue like a jet-black cloud, the azure ocean and a lustrous blue diamond? That is the beauty of the Lord’s form if one can visualize it, in which the eyes stand out like the crimson lotus, the hands and the feet which measured this earth are the same.

Thaniyan

dṛṣṭvā hṛṣṭam taḍā viṣṇum ramayā mayilādhipam |
kūpe raktotapale jātam mahatāhvayaṃ āsraye ||

I surrender unto Pey Āḻvār who is the leader of Mylapore and was born out of a red Lilly flower in a well and who attained great bliss by having the divine vision of Srīman Nārāyaṇa with Srī Mahālakṣmī.

Mudhal Āḻvārs (the first three Āḻvārs together)

Quite often, we find that the first three Āḻvārs are adressed together under the name Mudhal Āḻvār. Mudhal in Tamil means first or initial. They are addressed together because

  • They were all born a day after each other in sequence – Poigai Āḻvār, Bhūta Āḻvār and Pey Āḻvār.
  • They were all what is called in Sanskrit ayonija – not born from a human mother.
  • They were attached to Srīman Nārāyaṇa right from their birth and were blessed him by enjoying divine bliss throughout their life.
  • At some point in their life, they met each other and from then onwards stayed together and travelled together to various holy places. Hence they are also called in Tamil „Ōṭit tiriyum yōkikaḷ“ – the wandering Yogis.

Let us now hear the story how they met each other. Once Poigai Āḻvār was visiting Thirukovilur. Thirukovilur is a small city with numerous temples about 130 km south of Kanchipuram. Poigai Āḻvār was roaming the streets of Thirukovilur, at the same time Bhūta Āḻvār and Pey Āḻvār had also come to visit the city.

Everyone who has visited tropical regions knows how heavy and suddenly it can start to rain there. Such a rain started and Poigai was looking for shelter. He found a narrow passage in the front portion of a house which is said to have belonged to the sage Mrigandu. He laid down, prepared to spend the night in this inhospitable and confined place. Sometime later, Bhūta too discovered the same place and finding someone already occupying the space, enquired whether there would be room for one more person. Poigai welcomed the stranger, saying that if there was space enough for one person to lie down, two could sit there.

Heavy rain in India

An hour or so passed and there came knocking another worthy, wet and drenched to the skin and seeking shelter in the passage. He too was welcomed by the other two, who thought that three could at least stand comfortably in the small space, which could seat two and provide a bed for one. The three Āḻvārs were thus standing in the pitch dark, sharing with one another their experiences of the Lord and His auspicious attributes.

All of a sudden, they felt rather tight pressed. They were standing comfortably earlier, they now felt that the available space had diminished, as if a fourth person, unknown to the other three, had entered the narrow passage and was crowding them. Apparently, someone had sneaked into the already constricted space without announcement and was standing with them.

As it was pitch dark and Poigai wanted to light a lamp. He used the whole earth as a lamp, the waters of the salty seas as oil and with the shining Sun as the light. Bhūta lit another lamp, with his love to the Lord als lamp, his devotion as oil and his mind as light.

With this, they could see and Pey Āḻvār eyes alighted on the glorious form of Srī Mahālakṣmī, adorning the broad chest of the intruder. In the first verse, first half of Mūnṛām Thiruvandhādhi, Pey Āḻvār describes what he saw:

Tirukkaṇṭēṉ poṉ mēṉi kaṇṭēṉ tikaḻum
arukkaṉaṇi niṟamum kaṇṭēṉ – cerukkiḷarum

The vision rose before me first, now at this very instant, of the divine Mother with my ocean like Lord.

From the presence of the Divine Consort, who does not leave Srīman Nārāyaṇa even for a fraction of a second, they realized that it was none other than Srīman Nārāyaṇa who had entered the passage and was squeezing the trio. Pey Āḻvār describes this in the second half of the first verse:

poṉṉāḻi kaṇṭēṉ puri caṅkam kaikkaṇṭēṉ
eṉṉāḻi vaṇṇaṉ pāl iṉṟu

Then I saw his brilliant Form radiant like the sun, with his sparkling discus deadly in battle in one hand and the curved conch in the other.

The three Āḻvārs, inspired by the grand spectacle of Srīman Nārāyaṇa glorious form in their midst, poured out their devotion in the compositions we already heard about, each a hundred beautiful verses each, brimming over with Bhakti.

These three compositions served as forerunners for the total of four thousand nectarine verses that were to be composed by the Āḻvārs, called Divya Prabandham. In general, Āḻvārs do not praise anybody than the divine mother Srī Mahālakṣmī and Srīman Nārāyaṇa. However, the first and foremost of the Āḻvārs, Nammāḻvār, refers to these three „pioneer“ Āḻvārs as „Pāley Tamiḻar, Isaikārar, patthar“, paying generous tribute to their devotion and the beauty of their compositions.

Each of these verses is flowing from their mouths as if they are clear stream of water. The three works which constitute the earliest poetical compositions contributed by the Vaiṣṇava saints of South India contain philosophical and theological ideas of Śrī Vaiṣṇavam.

It is said that Srīman Nārāyaṇa listened to the three compositions to the utmost pleasure and satisfaction. Then, after blessing them, he disappeared. From then on, they always went together to other temples, and on their way, the three Āḻvārs are said to have been blessed by having two special darshans:

  • The darshan of Srī Rāma and his companions from the Rāmāyana, like Sītā, Lord Rāma’s younger brother Śatrughna, Hanumān etc.
  • The darshan of Lord Veṅkaṭēśvara, the deity of one of the most important Viṣṇu temples in India. This temple is called Tirumala Venkateswara Temple and located in Tirupathi, about 130km north of the region where the Āḻvārs were born. The temple is on the Tirumala hill, which is itself a very sacred place. Because of this, the Āḻvārs walked to the hill but hesitated to step on it. Hence, Lord Veṅkaṭēśvara came down from the hill have his darshan at the place where they were. Some say that the old name of a pond at the hill – Āḻvār Theertham (nowadays usually called Kapila Theertham) – refers to this.

Adiyēn Mādhava Rāmānuja Dāsan

Rumpelstilzchen – Vedana in Grimms Märchen

Śrīḥ
Śrīmathē śatakōpāya namaḥ
Śrīmathē rāmānujāya namaḥ
Śrīmath varavaramunayē namaḥ
Śrī vānāchala mahāmunayē namaḥ

Wie andere Kulturräume hatte auch der unserige Raum eine Tradition mündlicher Erzählungen, die über lange Zeiträume weiter gegeben wurden. Rechtzeitig, bevor diese mündlichen Erzähltraditionen abbrachen, wurden die Erzählungen gesammelt und sind heute als Sagen und Märchen bekannt.

Viele dieser Erzählungen sind für uns heute von geringer Bedeutung. Allzuoft atmen sie vor allem die bittere Armut unserer Vorfahren und den Traum, auf die eine oder andere Art zu Reichtum und Wohlstand oder zumindest zu Vorteilen zu kommen – und den Tücken dabei.

Manch ein Text bleibt aber rätselhaft. Der Inhalt der Erzählung erscheint bei genauer Überlegung absurd und unlogisch, Menschen tun ohne nachvollziehbaren Grund bizarre Dinge oder glauben Seltsames. Warum wurden diese Erzählungen dann müdlich überliefert? Es muss doch auch den Menschen vor 500 Jahren schon aufgefallen sein, wie unlogisch der Inhalt ist?

Psychoanalytiker haben zurecht darauf hingewiesen, dass Märchen mit Symbolen und Bilder arbeiten, der oberflächliche Inhalt der Erzählung ist nicht das, was zählt.

Ein Märchen, das bei oberflächlicher Betrachtung komplett unlogisch, aber bei rechter Betrachtung voll tiefer Weisheit ist, ist das Märchen von Rumpelstilzchen. Hier der Text des Märchens, wie man ihn z.B. auf grimmstories.com/de/grimm_maerchen/rumpelstilzchen finden kann:


Es war einmal ein Müller, der war arm, aber er hatte eine schöne Tochter. Nun traf es sich, daß er mit dem König zu sprechen kam, und um sich ein Ansehen zu geben, sagte er zu ihm: „Ich habe eine Tochter, die kann Stroh zu Gold spinnen.“ Der König sprach zum Müller: „Das ist eine Kunst, die mir wohl gefällt, wenn deine Tochter so geschickt ist, wie du sagst, so bring sie morgen in mein Schloß, da will ich sie auf die Probe stellen.“

Als nun das Mädchen zu ihm gebracht ward, führte er es in eine Kammer, die ganz voll Stroh lag, gab ihr Rad und Haspel und sprach: „Jetzt mache dich an die Arbeit, und wenn du diese Nacht durch bis morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast, so mußt du sterben.“ Darauf schloß er die Kammer selbst zu, und sie blieb allein darin. Da saß nun die arme Müllerstochter und wußte um ihr Leben keinen Rat: sie verstand gar nichts davon, wie man Stroh zu Gold spinnen konnte, und ihre Angst ward immer größer, daß sie endlich zu weinen anfing. Da ging auf einmal die Türe auf, und trat ein kleines Männchen herein und sprach: „Guten Abend, Jungfer Müllerin, warum weint Sie so sehr?“

„Ach,“ antwortete das Mädchen, „ich soll Stroh zu Gold spinnen und verstehe das nicht.“ Sprach das Männchen: „Was gibst du mir, wenn ich dirs spinne?“ – „Mein Halsband,“ sagte das Mädchen. Das Männchen nahm das Halsband, setzte sich vor das Rädchen, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war die Spule voll. Dann steckte es eine andere auf, und schnurr, schnurr, schnurr, dreimal gezogen, war auch die zweite voll: und so gings fort bis zum Morgen, da war alles Stroh versponnen, und alle Spulen waren voll Gold.

Bei Sonnenaufgang kam schon der König, und als er das Gold erblickte, erstaunte er und freute sich, aber sein Herz ward nur noch geldgieriger. Er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen, die noch viel größer war, und befahl ihr, das auch in einer Nacht zu spinnen, wenn ihr das Leben lieb wäre. Das Mädchen wußte sich nicht zu helfen und weinte, da ging abermals die Türe auf, und das kleine Männchen erschien und sprach: „Was gibst du mir, wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne?“

„Meinen Ring von dem Finger,“ antwortete das Mädchen. Das Männchen nahm den Ring, fing wieder an zu schnurren mit dem Rade und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen. Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick, war aber noch immer nicht Goldes satt, sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach: „Die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen: gelingt dir’s aber, so sollst du meine Gemahlin werden.“ – „Wenn’s auch eine Müllerstochter ist,“ dachte er, „eine reichere Frau finde ich in der ganzen Welt nicht.“ Als das Mädchen allein war, kam das Männlein zum drittenmal wieder und sprach: „Was gibst du mir, wenn ich dir noch diesmal das Stroh spinne?“ – „Ich habe nichts mehr, das ich geben könnte,“ antwortete das Mädchen. „So versprich mir, wenn du Königin wirst, dein erstes Kind.“ – „Wer weiß, wie das noch geht,“ dachte die Müllerstochter und wußte sich auch in der Not nicht anders zu helfen; sie versprach also dem Männchen, was es verlangte, und das Männchen spann dafür noch einmal das Stroh zu Gold. Und als am Morgen der König kam und alles fand, wie er gewünscht hatte, so hielt er Hochzeit mit ihr, und die schöne Müllerstochter ward eine Königin.

Über ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zur Welt und dachte gar nicht mehr an das Männchen: da trat es plötzlich in ihre Kammer und sprach: „Nun gib mir, was du versprochen hast.“ Die Königin erschrak und bot dem Männchen alle Reichtümer des Königreichs an, wenn es ihr das Kind lassen wollte: aber das Männchen sprach: „Nein, etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt.“ Da fing die Königin so an zu jammern und zu weinen, daß das Männchen Mitleiden mit ihr hatte: „Drei Tage will ich dir Zeit lassen,“ sprach er, „wenn du bis dahin meinen Namen weißt, so sollst du dein Kind behalten.“

Nun besann sich die Königin die ganze Nacht über auf alle Namen, die sie jemals gehört hatte, und schickte einen Boten über Land, der sollte sich erkundigen weit und breit, was es sonst noch für Namen gäbe. Als am andern Tag das Männchen kam, fing sie an mit Kaspar, Melchior, Balzer, und sagte alle Namen, die sie wußte, nach der Reihe her, aber bei jedem sprach das Männlein: „So heiß ich nicht.“ Den zweiten Tag ließ sie in der Nachbarschaft herumfragen, wie die Leute da genannt würden, und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten Namen vor „Heißt du vielleicht Rippenbiest oder Hammelswade oder Schnürbein?“ Aber es antwortete immer: „So heiß ich nicht.“

Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück und erzählte: „Neue Namen habe ich keinen einzigen finden können, aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam, wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen, so sah ich da ein kleines Haus, und vor dem Haus brannte ein Feuer, und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen, hüpfte auf einem Bein und schrie:

„Heute back ich,
Morgen brau ich,
Übermorgen hol ich der Königin ihr Kind;
Ach, wie gut ist, daß niemand weiß,
daß ich Rumpelstilzchen heiß!“

Da könnt ihr denken, wie die Königin froh war, als sie den Namen hörte, und als bald hernach das Männlein hereintrat und fragte: „Nun, Frau Königin, wie heiß ich?“ fragte sie erst: „Heißest du Kunz?“ – „Nein.“ – „Heißest du Heinz?“ – „Nein.“ – „Heißt du etwa Rumpelstilzchen?“

„Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt,“ schrie das Männlein und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde, daß es bis an den Leib hineinfuhr, dann packte es in seiner Wut den linken Fuß mit beiden Händen und riß sich selbst mitten entzwei.


Das Märchen verstehen – die Oberfläche

Das Märchen lässt ratlos zurück. Das macht doch alles überhaupt keinen Sinn! Warum ist der König so dumm, dass er dem Müller glaubt? Warum droht er der Tochter mit dem Tod, anstatt den Vater zu bestrafen? Warum will Rumpelstilzchen ein Baby?

Das Problem mit vielen Märchen und allgemein alten Erzählungen ist, dass wir sie mit unserem heutigen Blick auf die Welt lesen und die Symbole, die das Märchen benutzt, nicht mehr verstehen. Wenn man die gängigen Interpretationen dieses Märchens liest, fällt schnell auf, dass oft gar nicht der Versuch unternommen wird, das Märchen so zu lesen, wie es ein Mensch in alter Zeit vermutlch verstehen würde – man ist vorschnell mit Interpretationen bei der Hand. Versuchen wir also zunächst, die Grundelemente im historischen Kontext zu verstehen.

Vater und Tochter

Für uns sind Wasser- und Windmühlen heute etwas Schönes und Nostaligisches. Aber in alter Zeit war eine Mühle etwas Unheimliches, nahezu Magisches, denn Mühlen waren praktisch die einzigen großen Maschinen, die es gab. Kraft wurde normalerweise durch Menschen oder Tiere erzeugt – dass so eine große Maschine wie von Geisterhand anfing zu drehen (und, durch die Mechanik aus Holz und durch Festlaufen / Reibungshitze leicht Feuer fangen konnte), das war den Menschen unheimlich. Müller war im Mittelalter folglich kein ehrbarer Beruf und Müller oder Müllersburschen sind in der Sagenwelt zuweilen zauberkundig – als Beispiel sei z.B. auf den zauberkundigen Müllersburschen Pumphut verwiesen.

Stroh zu Gold spinnen
Bis ins späte Mittelalter bestanden Legenden von Gelehrten, Alchemisten, die unedle Materialien zu Gold verwandeln können. Normalerweise wurde versucht, unedle Metalle wie Eisen in Gold zu verwandeln. Wie viel großer wäre der Alchemist, der Materialien, die damals allgegenwärtig waren (Stroh) in Gold verwandeln kann!

Die Tochter eines Müllers, die Stroh zu Gold spinnen kann
Setzen wir nun beide Elemente zusammen. Hier der Müller, Herr über für den normalen Menschen rätselhafte Maschinen, dort seine Tochter, von der dieser behauptet, dass sie die höchste denkbare Kunst beherrschen würde – nämlich ein Material, das in nahezu beliebigen Mengen vorhanden ist, zu Gold zu spinnen.

Deswegen droht der König, die Tochter zu töten, wenn sie die Aufgabe nicht erfüllt: Die Kunst, die die Tochter für diese Aufgabe anwenden muss, ist auf der ganzen Welt äußerst begehrt und er muss sie zwingen, ihm ihr Geheimnis auch wirklich preiszugeben – wenn sie es denn hat. Aus diesem Grund schließt er die Kammer selber zu – damit sie ihm nicht entwischt und jemand anderem das Geheimnis verrät.

Hermes Trismegistos, griechisch / ägyptischer Gott, der den Menschen verschiedene Lehren zu Alchemie und Mystik gab.

Die arme Tochter, die nun vor einer rational gesehen unlösbaren Aufgabe steht, ist zu Recht verzweifelt. Völlig überraschend taucht aber ein kleines Männchen auf, das für eine völlig lächerliche Gegenleistung bereit ist, diese unlösbare Aufgabe für sie zu lösen. Denn was ist ein Halsband als Lohn für jemanden, der Stroh zu Gold spinnen kann, also Gold in quasi beliebigen Mengen erschaffen kann?

Offensichtlich geht es hier nicht um den Wert, sondern um die initime Bindung, die die Tochter an dies Dinge hat. Das Halsband mag eins von mehreren sein, der Ring, das er als Nächstes angeboten bekommt, ist schon sehr viel persönlicher – und was kann persönlicher sein als das eigene Kind?

Rumpelstiltzchen

Warum aber will dieses Männchen etwas Persönliches? Diese Frage wird uns später zum Kern des Märchens führen, im Moment können wir sie noch nicht beantworten. Die zweite Frage zu Rumpelstilzchen ist einfacher. Warum zerstört sich dieses Männchen eigentlich selbst, wenn man seinen Namen kennt?

In der heutigen Zeit, der Postmoderne, in der die Wörter und Dinge zu nahezu beliebig austauschbaren Symbolen degeneriert sind, kann man leicht vergessen, welche Macht Sprache in alter Zeit gehabt hat. Ob man nun an die Veden und ihre exakt vorgeschriebene Rezitation denken will oder die Fragmente, die in unseren Sagen und Märchen über Bann- und Zaubersprüche erhalten sind und die immer wieder über die Gefahren berichten, die entstehen, wenn man sie falsch ausspricht. In alter Zeit war den Menschen klar, dass Sprache, dass Wörter, etwas Machtvolles sind, das man mit entsprechendem Respekt nutzen sollte.

„Etwas beim Namen nennen“, diese Redensart gibt es im Deutschen noch – etwas beim Namen nennen bedeutet immer auch, Macht über diese Sache zu gewinnen, sie ein- und abgrenzen zu können. Nicht umsonst hat Gott in der vedischen Tradition unzählige Namen, die Tausend Namen Viṣṇus sind ja nur die wichtigsten Tausend, es gibt noch viele weitere. Eine Bedeutungsebene dieser vielen Namen ist, dass man niemals alle seine Namen kennen kann und somals niemals auch nur definitorische Macht über ihn gewinnen kann.

Rumpelstilzchen ist nun ein Wesen aus der Anderswelt. Das ist daran zu sehen, dass er geschlossene Türen überwinden kann, zudem fasst er sich am Ende an seinen linken Fuß. Wie Wolf-Dieter Storl in seinen Büchern immer wieder hervorhebt, war die „falsche“ Seite, die Linke, die Richtige, wenn es um die Anderswelt ging. Heil- und Zauberkräuter durften z.B. nur mit der linken Hand geschnitten werden, sonst behielten sie ihre Kraft nicht.

Mit der Kenntnis seines Namens bekam die Tochter Macht über Rumpelstiltzchen. Der rechte Fuß wird in der Erde versenkt, es mag ein Verweis darauf sein, dass er damit die Verbindung zur Tiefe, zur Anderswelt öffnet. Dann greift er an den linken Fuß zerstört seine Existenz hier, vermutlich um in die Anderswelt zurück zu kehren.

Wir haben damit nun – zumindest in groben Zügen – das Verständnis bekommen, das ein Mensch in alter Zeit von diesem Märchen wohl hatte. Wir verstehen nun, warum der König dem Müller glaubt, warum er die Tochter mit dem Tode bedroht und was es mit Rumpelstilzchen und seinem Namen auf sich hat – all das war für einen Menschen in alter Zeit wohl klar und bedurfte keinerlei Erklärung. Aber warum wurde dieses Märchen in oraler Tradion bewahrt? Ist es nicht einfach die wundersame Rettung einer Tochter vor dem Unsinn, den ihr Vater erzählt hat? Warum wurde dies bewahrt?

Der Grund ist, dass das, was wir gerade mühsam entschlüsselt haben, wiederum nur ein Symbol ist.

Das Märchen verstehen – tiefere Symbolik

Beginnen wir mit einer einfachen Frage: hat der Vater in diesem Märchen eigentlich eine positive oder negative Rolle? Man ist geneigt, ihn negativ zu sehen, weil er seine Tochter in eine unmögliche Situation bringt. Aber wäre sie ohne ihn Königin geworden? Niemals! Dem Vater fällt also die Rolle zu, seine Tochter aus ihrer Komfortzone zu bringen, sie in eine Situation zu bringen, die außerhalb des Alltäglichen liegt, aus der sie zu etwas Größerem, als ihre eigene Herkunft eigentlich zulässt, werden kann.

So wie es ein guter Lehrer manchmal tut. Ein spirtueller Lehrer (Guru) gibt seinem Schüler zuweilen seltsame Aufgaben. Die Gurus vor Rāmānuja haben ihre Schüler durch vielerlei Aufgaben geprüft, bevor sie ihnen wertvolle Geheimisse preisgaben. Ramanuja musste z.B. 18 Mal eine Strecke von ca 100km zu einem Guru gehen, bis er die Bedeutung eines bestimmten Mantras erklärt bekam.

Aber auch im weltlichen Kontext gibt es solche Prüfungen. Jeder Mathe-Student kennt sie, die unlösbar scheinenden Aufgaben. Viele Stunden und Tage muss er investieren, um sie zu knacken und es ist gerade dieses Bohren, dieses Verzweifeln und immer wieder neu ansetzen, dass aus dem Studenten einen Mathematiker macht. Auch unter Handwerkern kennt man solche Prüfungen. Der Geselle, der sich auf den Weg zum Meister machen will, oft überlässt sein Meister ihm besonders kniffelige Aufgaben, um ihn auf die Probe zu stellen und sein Ego etwas abzukühlen.

In einem weiteren Kontext lässt sich unser Leben auf analoge Weise lesen. Jeder muss in seinem Leben durch vielerlei große und kleine Schwierigkeiten gehen. Die Überwindung jeder Schwierigkeit lässt uns reifen und wachsen. Und gibt es nicht im Leben von fast jedem nicht diese Momente, in denen man sich fühlt wie die Tochter im Märchen? Man steht vor einer unlösbaren Schwieigkeit und es geht weder vor zu noch zurück?

Die Schwierigkeiten, die wir meistern müssen, sind nach indischer Denktradition bei unserer Geburt bereits zu großen Teilen festgelegt, sie ergeben sich aus den Nachwirkungen unserer Handlungen in vergangenen Leben – unserem Karma. Entgegen dem landläufigen Verständnis ist Karma übrigens kein dezidierter Strafmechanismus, wie wir in diesem Artikel erläutern.

Vater und Tochter lassen sich also wahlweise als Lehrer / Schüler oder als das Leben / wir lesen. Aber wen symbolisiert dann der König? Der König steht für die Gesetzmäßigkeiten dieser Welt, in der indischen Denktradition nennt man sie Dharma. Der König definiert die Regeln, belohnt und straft. Man könnte diese Funktion als Gott personifizieren, aber zumindest in der indischen Denktradition ist diese Funktion zu trocken und gering für die höchste Persönlichkeit Gottes, die man Viṣṇu oder Nārāyana nennt. Mit der Kontrolle und Umsetzung der Gesetzmäßigkeiten der Welt werden geringeren Wesen beauftragt. In der indischen Denktradition ist dies Dharmadeva, was ein Name für Yama, den Totengott ist. Yama trägt die Insignien eines Königs:

Yama, indische Darstellung

Da der König recht drastisch ist und der Tochter mit den Tode droht, wenn sie die Aufgabe nicht erfüllt, sehen wir beiderseitige Referenzen zwischen der Figur des Königs im Märchen und Yama. Wie in diesem Artikel erläutert, finden wir allgemein vielerlei Bezüge zwischen dem Kosmos der indischen Religionen und den noch sichtbaren Fragmenten der alten, vorchristlichen Religion unserer Vorfahren. Es erscheint uns daher nicht abwegig, dass die Figur des Königs im Märchen in der vorchristlichen Zeit vielleicht noch näher an Yama war.

Rumpelstilzchen II

Damit bleibt nur noch die Frage: für wen oder was steht Rumpelstilzchen? Diese Frage führt uns zur Essenz des Märchens. Wer hilft uns hier und heute, nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten zu überwinden? Unser Geist. In der indischen Denktradition unterscheidet man zwischen Buddhi, das ist die Denkkapazität, unsere Fähigkeit abstrakt zu denken und zu planen, Ahamkāra, der Ich-Konstruktion sowie Chit, unserem Bewusstsein. Im Gegensatz zur europäischen Denktradtion wird Bewusstsein nämlich als unabhängig von Denken und Ich-Konstruktion gesehen. Jedes Wesen, auch Pflanzen und Tiere, haben Bewusstsein, aber Buddhi und Ahamkāra sind unterschiedlich ausgeprägt.

Chit ist nun ein ganz wesentlicher Ausdruck einer bewussten Einheit, eines Āthmās. Das Āthmā wird in den Veden als jenseits allen Reichtums, allen Verlangens, jenseits all dessen, was wir in unserer Existenz hier erreichen können, beschrieben. In der Katha Upanishade wird die Geschichte eines jungen Mannes namens Nachiketas erzählt, der zum Totengott Yama reist. Er möchte von ihm das Wissen über die letzten Dinge erhalten. Yama prüft seinen Willen durch allerlei Verlockungen, denen Nachiketas widersteht. Im 2. Abschnitt, Vers 11 und 12 spricht Yama:

Du hast das Ziel des Verlangens, die Substanz des Universums, die Unendlichkeit, die Verehrung, das andere Ufer, den weiten Raum, dem Ehre gebührt, und das große Sein gesehen und mit Geduld und Weisheit allem entsagt, was ich Dir anbot.

Durch die Kontemplation über Es, das Uralte, immerwährende Selbst, schwer zu erkennen, tief verborgen im Geist, in der Mitte des Leids, hast Du es realisiert. Den Geist auf das Selbst gerichtet, wird der Weise frei von Glück und Leid.

Die Erkenntnis des Selbst, des Āthmā, ist somit äußerst schwer zu erreichen, sie ist der größe Schatz – wie ein Kind für eine Mutter.

Das, was uns beim Überwinden der Schwierigkeiten hilft, ist aber nicht das Āthmā. Es sind Buddhi und Ahamkāra. Ahamkāra ist die Ich-Konstruktion. Diese ergibt sich quasi von alleine, wenn ein Āthmā in einem handelnden Wesen verkörpert ist. Ohne Buddhi und Ahamkāra könnte wir im physischen Sinn hier nicht existieren – denn ohne Planung und Überlegung können wir Menschen hier in Nordeuropa mit Wintern, wo kaum etwas wächst, das wir essen können, kaum überleben.

Rumpelstilzchen steht also nach unserer Lesart des Märchens für Buddhi und Ahamkāra – also unsere Ich-Konstruktion (ich bin XYZ geboren da und da, mit den Eltern, den Wünschen, Träumen und Bedürfnissen usw) und unser Verstand (wenn ich das tue, kommt das heraus, was mit dabei nützt, das jenes erreicht wird usw).

Rumpelstilzchens Lohn

Beide haben unseren Vorfahren geholfen, vielerorts zurecht zu kommen, Land zu kultivieren, genug zu Essen an ehemals unwirtlichen Teilen der Welt zu haben – kurz, das Unmögliche zu schaffen. Aber was hat es dann mit den Gegenleistungen, die die Tochter anbietet, auf sich? Sie stehen für den Preis des bewussten Denkens. Viele Menschen fühlen sich zu Tieren hingezogen, weil Tiere viel mehr im Moment sind, ihre Äußerungen sind unverstellt, sie verfolgen keine Agenda. Diese Leichtigkeit, sie ist der Preis, den wir dafür zahlen mussten, das Unmögliche zu tun. Wer gewohnt ist zu denken, zu planen, der kann damit meist nicht mehr damit aufhören. Immer arbeitet der Kopf, sorgt sich, überlegt, ob nicht der Nachbar eigentlich das gemeint hat bei dem, was er neulich sagte. Dies sind Kette und Ring der Tochter.

Unser Leben hier setzt vielerlei Überlegungen und technische Vorkehrungen voraus

Die Tochter gibt beides gern, denn der Wohlstand als Königin lässt es unwichtig erscheinen. Unsere Vorfahren haben das Grübeln sicher gerne in Kauf genommen, wenn sie dafür Essen auf dem Tisch und ein warmes Haus hatten. Und kann man nicht, wenn die aktuen Bedürfnisse gestillt sind, durch Kontemplation das Grübeln in den Griff bekommen?

Kann man. Aber es besteht Gefahr. Die letzte Gabe, für das letze Zimmer voll Stroh, dass die Tochter zu Gold verspinnt, ist ihr zukünftiges Kind. Die ersten beiden Nächte, hätte der König nach ihnen die Tochter gehen lassen, es wäre nichts weiter passiert. Aber die dritte Aufgabe, groß genug, um aus der Tochter des Müllers die neue Königin zu machen, für ihre Lösung gibt es keine einfache Gegenleistung mehr.

Die Tochter gewinnt durch das Bestehen der letzten Prüfung Herrschaft. Nachdem unsere Vorfahren es geschafft hatten, zu überleben, musste das Erreichte gegen andere Stämme und Gruppen gesichtert werden. Dies erfordert ein höheres Niveau von Denken und Planung. Der Jäger und Sammler, der Selbstversorger, der eine Waldlichtung urbar machte, sie können die Erfahrung langer Zeit nutzen und in dem Takt der Planzen und Tiere leben. Damit sind sie in einen gewissen Sinne noch „ganz“. Doch die Verteidigung gegen fremde Stämme und umherziehende Gauner, sie erfordert Wir/Sie Denken, Strategie, Durchspielen verschiedener Handlungsalternativen – kurzum unser modernes Denken.

Die Herrschaft, sie kostete also einen größeren Preis, den größten Schatz, jenseits aller Reichtümer – das Kind, das Āthmā. Wir haben die Bemerkungen von Yama zu Āthmā oben gelesen. Warum ist es versteckt, äußerst schwierig zu erkennen? Weil Bewusstsein, eigentlich ungetrübt und strahlend, überdeckt wird von unermesslichen Lagen an Idee, Konzepten, Sehnsüchten und eingefahrenen Denkfiguren. Diese sind das Ergebnise des Denkens von uns als entwickelten Menschen – es lässt sich nicht vermeiden, dass das Āthmā für uns schwer zu finden ist.

Eine erfolgreiche materiellen Existenz impliziert also, dass Buddhi und Ahamkāra, personifiziert als Rumpelstilzchen, so viel Eigenleben entwickeln, dass sie das Āthmā völlig überdecken – also, dass Rumpelstilzchen das Kind der Königin nimmt.

Und warum kann die Königin diesem Schicksal dann durch die Kenntnis des Namens von Rumpelstilzchen entgehen? Buddhi und Ahamkāra können nur dann so viel Eigenleben entwickeln, wenn man sie nicht als solche erkennt. Wenn wir denken „Dass ich den ganzen Tag darüber nachgrübele, wer mich wie findet, das ist doch ein Teil von mir!“ – dann hat Rumpelstilzchen das Kind. Wenn wir erkennen, dass Denken erst einmal nur Sprechen im Kopf ist und man durchaus auch mal im Kopf „die Klappe halten“ kann, weil es nicht immer etwas zu sagen gibt, dann hat man Buddhi in die Schranken gewiesen. Wenn man erkennt, dass das Ich im alltäglichen Sinne eine Konstruktion ist, die i.W. an diesen Körper gebunden ist und dass es ohne den Beobachter, der alle Gedanken, Gefühle usw wahrnimmt, nicht existieren kann, dann hat Ahamkāra keine unbeschränkte Macht mehr. Denn dann weiß man, dass „Ich“ temporär bin, „Ich“ werde verschwinden – nur der Beobachter in mir, der das „Ich“ mit Leben füllt, der ist unsterblich.

Man muss diese Dinge erkennen, beim Namen nennen, um seine eigene Konstitution zu erkennen. Kṛṣṇa spricht in Bhagavad Gītā, Kapitel 4, Vers 36-38 zu seinem Freund Arjuna:

Selbst wenn du von allen Schuften der größte Übeltäter bist, wirst du alle Schlechtigkeit mit dem Boot der Erkenntnis überwinden.

Wie entflammtes Feuer Brennholz zu Asche macht, Arjuna, so verzehrt das Feuer der Erkenntnis alle Taten.

In dieser Welt findet sich nämlich kein Läuterungsmittel, das der Erkenntnis vergleichbar wäre. Diese findet der im Yoga Vollendete mit der Zeit spontan in sich selbst.

Der letzte Vers verweist uns darauf, dass die Erkenntnis nicht aus intellektueller Überlegung stammt, sondern spontan kommt. Das „Ich“, das Ahamkāra, ist das Zentrum von Buddhi, der Denkarbeit – es kann sich nicht durch Denkarbeit selbst erkennen. Wir können über die Struktur unseres Geistes lesen und lernen, aber nur die ruhige Betrachtung dessen, was sich in uns abspielt, führt uns zu einer echten Erkenntnis der Lehre. Das Märchen scheint diesen Umstand dadurch anzudeuten, dass der Name von Rumpelstilzchen nicht durch das systematische Suche, sondern durch Zufall in einer äußerst abgelegenen Ecke des Königreiches gefunden wird.

Schlussfolgerung

Egal wie lange wir über ein Märchen grübeln, es wird seine Botschaften niemals ganz preis geben. Aber uns scheint, dass die gerade dargelegte Interpretation des Märchens als eine Botschaft über unsere eigene Konstitution recht schlüssig ist und in der Lage ist, Dinge die im Märchen seltsam erscheinen (v.a. die Selbstzerstörung von Rumpelstilzchen) mit Sinn zu erfüllen.

Im Laufe der nächsten Jahre werden wir sicher noch das eine oder andere Märchen „unter die Vedanta-Lupe“ nehmen und hoffen, dass noch die eine oder andere Überraschung auf uns wartet.

Jai Srimannarayana!

Erste Ausgabe von Grimms Märchen

Adiyen Mādhava Rāmānuja Dāsan

An introduction to Amalanādhipirān

Amalanādhipirān has been written by Thiruppānāḻvār, who had been born into a lineage of people called Pāṇars. Pāṇars usually lived as musicians. They were outside outside the Varna („caste“) system, but probably received some respect as by their musical abilities.

Unfortunately, there are severe misunderstandings when it comes to Varna. Our revered godbrother Venkatesh Rāmānuja Dāsan has cleared all misconceptions on Varna in this article.

The image of caste / Varna is often dominated by the impression that people from lower Varnas are supressed and exploited. While this is partially true, the second aspect of the Varna system is not seen at all: Somebody might be born as a child of Brahmins, but only training in recitation of Vedas and the compliance with the rules and regulations prescribed for Brahmins make him an actual Brahmin. If we meet an guy in some bar in Delhi with a glas of Whiskey, he is no Brahmin, no matter what his parents were. This is because the consumption of alcohol is strictly prohibited for Brahmins. If his parents were Brahmins, he is only the relative of Brahmins. He is not qualified to do any ritual activity that is associated with being Brahmin. This is because there is a symmetry: The higher the status in the Varna system, the more rules and regulations a person has to follow. Ignoring these lets him fall to the status as a Śūdrā, i.e. a member of the lowest caste, not authorized to recite Vedas.

So if that person we meet looks down on people because of their Varna, we might righly call him a hypocrite. He can only consider the hierarchy implied by the Varna system with respect to other people if he himself follows the rules of this system! Higher status always means more rules and a higher standard of conduct.

Our Āchāryas have always pointed out that being born in a low Varna or even outside the Varna system (like Westeners) is a great blessing. While those born into high Varna have to follow numerous rites and duties, casteless people are free, we have no specific religious dutied assigned to them and still get the same liberation as somebody born as Brahmin. They can freely use their time to praise and enjoy the Lord – as done by Thiruppānāḻvār.

In this wonderful movie about the life of Rāmānuja, the most important scene from the life of the Āḻvār is shown from minute 7:30:

One day, the Āḻvār was immersed in singing songs to Viṣṇu, as he was so often. Standing there and singing, he blocked the way of a Brahmin called Lokasārangamunivar, who had fetched water for the daily rites in the Śrīraṅgam temple. As by the strict purity rules the Brahmin was adhering to, he felt unable to move close to the Āḻvār. So he threw a stone and injured the Āḻvār at his head. Awakening from his extasy, the Āḻvār apologized and moved out of the way. But (some say in a dream, others say in actuality) Lokasārangamunivar started to loose eyesight and found the doors of the temple Sannidhi locked, because he had hurt an elevated devotee of the Lord. Only after ignoring the purity rules, hugging the Āḻvār and begging his pardon, he regained eyesight.

It is told that Lokasārangamunivar had a dream of Lord Raṅganātha, the main deity of the Śrīraṅgam temple, who asked him to carry the Āḻvār to him, i.e. Raṅganātha. To understand this, it is important to note that before Rāmānuja, people outside the four Varnas were not allowed to enter temples, as their mere presence would damage the purity of the temple. So while living close to Śrīraṅgam and being a highly elevated devotee of Raṅganātha, the Āḻvār had never entered the temple. It is told that the Āḻvār composed Amalanādhipirān upon seeing Raṅganātha for the first time.

The verses convey that Thiruppānāḻvār had a good knowledge of the relevant texts and pastimes of the lord even though his formal status was rather low. There is an interesting dichotomy: The Āḻvār starts with praises of incarnations or pasttimes of the Lord, but his focus always moves back to the form of Raṅganātha. This interplay between a somewhat formal and an intimate mood has been has been taught and expanded upon extensively by our Āchāryas, beginning with Manavāḷa Māmunigaḷ.

A simple English translation and some glimpses on the esoteric meanings are available at koyil.org.


Adiyēn Mādhava Rāmānuja Dāsan

Amalanādhipirān

Einführung

Das Amalanādhipirān wurde vom Heiligen Thiruppānāḻvār verfasst. Thiruppānāḻvār gehörte zu den sogeannten Pāṇars, einer Linie von Musikern, die nicht zu den vier Kasten gehörten, aber wegen ihrer musikalischen Fähigkeiten wohl doch eine gewisse Achtung genossen.

Beim Thema Kaste gibt es viele Missverständnisse. Unser verehrter Gottbruder Venkatesh Rāmānuja Dāsan aus den USA hat in diesem englischen Artikel die Hintergründe des Konzepts Kaste beleuchtet und damit Missverständnisse aus dem Weg geräumt.

Unser Bild im Westen ist geprägt von dem Eindruck, dass Mitglieder unteren Kasten von den oberen Kasten underdrückt und ausgebeutet werden. Auch wenn dies zumindest teilweise zutrifft, gibt es doch auch eine zweite, im Westen kaum beachtete Seite des Kastensystems. Jemand mag zwar als Kind von Brahmanen (der höchsten Kaste) geboren worden sein, aber nur die Ausbildung in der Rezitation der Veden und die Befolgung der vorgeschriebenen Riten und Vorschriften macht ihn auch zum Brahmanen. Ein Inder, den man in einer Bar in Delhi mit einem Glas Whiskey antrifft, ist somit kein Brahmane, egal was er behautet und was seine Eltern waren – denn der Genuss von Alkohol ist für Brahmanen strikt untersagt. Falls seine Eltern Brahmanen waren, ist er nur noch Verwandter von Brahmanen – aber er ist selbst nicht mehr qualifiziert, die rituellen Tätigkeiten eines Brahmanen auszuführen. Es gibt nämlich eine Symmetrie: je höher der Status im Kastensystem, umso mehr Pflichten und Regeln. Eine Verletzung dieser Plichten lässt ihn – zumindest in orthodoxer Lesart – auf den selben Status wie einen Śūdrā (Mitglied der untersten Kaste, nicht autorisiert die Veden zu rezitieren) fallen.

Wenn also der oben genannte Inder sich von Nicht-Brahmanen fern hält und auf sie herab schaut, muss man ihm vorwerfen, mit zweierei Maß zu messen. Er kann sich erst dann auf die Regeln um Umgang mit Brahmanen berufen, wenn er die Regeln selbst auch befolgt. Denn: Höherer Status bedeutet immer auch mehr Pflichten und einen strengeren Maßstab für das Handeln einer Person.

Unsere Āchāryas haben daher immer wieder hervorgehoben, dass die Geburt in einer niederigen Kasten oder sogar außerhalb des Kastensystems (wie für uns Westler) eine große Gnade ist. Während Menschen höherer Kasten diverse Pflichten haben, sind wir Kastenlosen frei, wir haben keine religösen Pflichten und können doch genau die selbe Befreiung erlangen wie jemand aus der höchten Kaste. Wir können unser Zeit frei zur Verehrung des Herrn einsetzen, ganz so wie Thiruppānāḻvār es getan hat.

In einem wunderschönen tamilischen Film über das Leben von Rāmānuja wird die entscheidene Szene aus dem Leben des Āḻvārs dargestellt (ab Minute 7:30):

Eines Tages war Āḻvār wie so oft versunken in Lieder an Viṣṇu und versperrte dabei einem Brahmanen names Lokasārangamunivar, der gerade Wasser für Riten im Śrīraṅgam Tempel holen wollte, den Weg. Aufgrund der strikten Reinheitsvorschriften fühlte der Brahmane sich nicht in der Lage, den Āḻvār zu berühren oder eng an ihm vorbei gehen. So warf er einen Stein und verletzte den Āḻvār am Kopf. Der Āḻvār erwachte aus seiner Extase, bat den Brahmanen um Vergebung und machte ihm den Weg frei. Doch Lokasārangamunivar begann (manche sagen im Traum, andere tätsächlich), das Augenlicht zu verlieren und fand die Tempeltüren fest verschlossen vor – denn er hatte einen erhabenen Verehrer des Herrn verletzt. Erst als er die Reinheitsvorschriften ignorierte und den Āḻvār umarmte und um Vergebung bat, erhielt er sein Augenlicht wieder.

Es wird erzählt, dass Lokasārangamunivar im Traum von Ranganātha, der großen Haupt-Bildgestalt in Śrīraṅgam, dazu aufgefordert wurde, den Āḻvār zu ihm, d.h. zu Ranganātha zu tragen. Man muss dazu wissen, dass vor Rāmānuja den Kastenlosen der Zutritt zu den Tempeln i.d.R. verboten war, da man fürchtete, dass ihre bloße Berührung den Tempel verunreinigen würde. Aus diesem Grund trug er den Āḻvār zu Ranganātha und es wird erzählt, dass dieser das Amalanādhipirān bei dieser allerersten Begegnung mit Ranganātha gedichtet hat.

Es ist in seinen Versen sehr schön zu sehen, dass Thiruppānāḻvār trotz seines geringen gesellschaftlichen Status in vielen Texten bewandert war. Wir finden stets eine Zweiteilung: zunächst rühmt der Āḻvār Inkarnationen oder Taten des Herren, doch sein Fokus geht immer wieder zurück auf die Form von Ranganātha, der vor ihm liegt. Die Bedeutungen dieses Wechselspiels aus einer eher formalen und einer intimen Stimmung des Āḻvār lassen sich auf vielfältige Weise entfalten und unsere Āchāryas, beginnend mit Manavāḷa Māmunigaḷ (einem bedeutenden Āchārya, siehe unsere Tradition) haben diesen Text immer wieder unterrichtet und kommentiert.

Da die tiefen esoterischen Bedeutungen für Einsteiger größteils unverständlich sind, beschränken wir uns hier auf eine Übersetzung mit einigen wenigen Erläuterungen.

Würdigungsverse (Thaniyans)

Ich verehre Thiruppānāḻvār, der Periya Perumāl (Ranganātha) voller Wonne von seinen heiligen Füßen bis zu seiner Krone genoss. Zu ihm wurde er von Lokasārangamunivar gebracht und er schwor, nur noch Periya Perumāl zu schauen.

Lasst uns Thiruppānāḻvār feiern, der, von Lokasārangamunivar gebracht, allein das Sanndihi (dem heiligsten Bereich des Tempels, in dem die Bildgestalt residiert) betrat, der die heiligen Füße, den heiligen Nabel, den unvergleichlichen heiligen Bauch, die heilige Brust, den heiligen Hals, den heiligen, rötlichen Mund und die heiligen Augen, die frisch erblühten Lotus gleichen – die ganze heilige Form des Herren – und für den der Lobpreis des Herrn der ganze Sinn seines Lebens war.

Śrī Ranganātha – Periya Perumāl

Vers 1

Oh Herr, Du ruhst in Śrīraṅgam, umgeben von hohen, schützenden Mauern.
Du bist unvergleichlich rein, doch von mir erwartest Du nichts.
Du hast die Kraft und Reinheit, mich nicht nur zu Deinem Diener zu machen, sondern auch zum Diener Deiner Anhänger.
Stets residierst Du in Thiruvenkata Hügeln (der Umgebung des Thirumala Venkateshvara Tempels in Thirupati, neben Śrīraṅgam der zweite wichtige Tempel unserer Tradition), umgeben von duftenden Gärten.
Deine Kraft und Reinheit ziehen Deine Anhänger an,
Deine Kraft und Reinheit vergibt ihre Vergehen.
Du herrscht über Vaikuntha (Achtung, der deutsche Wikipedia Artikel dazu ist fehlerhaft), Ort des ewigen Dienstes an Dir.
Oh, welch Wunder! Deine heiligen Füße haben meine Augen von selbst betreten!

Vers 2

Als der Herr voller Freude als Trivikrama die Welt umschritt, stieß seine Krone an die Grenze des Universums.
Śrī Rāmā, der die feindseligen Dämonen mit seinen scharfe Pfeilen zerstörte, residiert als Ranganātha in Śrīraṅgam, das von duftenden Gärten umgeben ist.
Meine Gedanken ruhen auf den erhabenen Gewändern, die um seine heilige Hüfte geschlungen sind.

Vers 3

Der Herr steht in den Thiruvenkata Hügeln, im Norden des Tamil-Landes, wo die Affen springen und spielen und wo die Nityasūris kommen und ihn als Śrīnivāsa (ein andere Name für Venkateshvara) verehren.
Er ruht auch auf dem weichen Bett der Ādiśeṣa in Śrīraṅgam. (Dieser Punkt ilustriert sehr schön einen Aspekt der Theologie der Śrī Vaiṣṇavas, nämlich dass zwischen den Formen Gottes in den verschiedenen Tempeln und auch den Avataren kein Unterschied gemacht wird. Śrīnivāsa und Ranganātha sind ein und der selbe, aber in verschiedenen Formen.)
Ruht mein Āthmā (grob: Seele, Kern des Bewusstseins), das in meinem Herzen wohnt, nicht auf seinen Gewändern, die rot sind wie der Abendhimmel, und auf seinem Nabel über den Gewändern, er, der noch schöner dadurch ist, dass ihm Brahmā entsprang?

Der letzte Punkt erklärt sich aus der Beschreibung des höchsten Herrn Nārāyana:

Nārāyana auf Ādiśeṣa, aus seinem Nabel kommt der Demiurge Brahmā, Lakṣmī massiert ihm die Füße

Brahmā ist der Schöpfer des Universums (es gibt viele Universen und viele Brahmās). Die obige Darstellung ist – wie praktisch alle Darstellungen im Hinduismus – zutiefst symbolisch. Die Dekodierung der vielen Symbole ist äußerst komplex und vielschichtig, wir unterlassen daher hier jegliche Versuche, dieses Bild zu erklären.

Vers 4

Der Herr ruht als Ranganātha in Śrīraṅgam, wo das Summen der Bienen wie Musik ist und die Pfauen tanzen.
Trotz der vier Mauern, die ihn schützen sollten, fegte dieser Herr Rāvaṇa, den Herrn von Lanka, vom Schlachtfeld. Der Herr, der die Farbe des Ozeans hat, trennte die zehn Köpfe Rāvaṇas vom Rumpf mit grausamen Pfeilen.
Das Band, dass den göttlichen die Bauch des Herren ziert, oh es ist fest in meinem Geist und durchströmt ihn.

Vers 5

Der Herr zerschnitt meine Verbindung zu den Vergehen, die auf mir lasten seit uralter Zeit.
Meine Hingabe zu ihm entzündete er und nicht genug, er betrat mein Herz.
Welch Bußen habe ich wohl auf mich genommen in früheren Leben, dass mir dieses Glück vergönnt ist? (In den Schriften wird immer wieder von Yogis berichtet, die schwere Tapasyas (grob: Bußen) auf sich nehmen, um besondere Fähigkeiten zu erlangen oder besondere Geschenke als Lohn zu empfangen. Auf so etwas spielt der Āḻvār hier an.)
Die heilige Brust des Herrn von Śrīraṅgam, geschmückt durch Thiru (Mahālākṣmī) und göttlichen Schmuck, oh ich bin ihr Diener, ihr Sklave.

Vers 6

Der Herr ließ die Sorgen von Rudra (ein anderer Name von Śiva), der den Halbmond am Kopf trägt, verschwinden. (Dies könnte eine Anspielung auf die Begebenheit, in der ein Totenschädel an Śivas Hand gewachsen ist und nur durch den Rat Viṣṇus wieder entfernt werden kann.)
Er ist Periya Perumāl, der Herr von Śrīraṅgam, umgeben von fruchtbaren Gärten voller Bienen, deren Summen wie Gesänge schallt.
Sein heiliger Hals (durch den am Ende des Schöpfungszyklus das gesamte Universum und alle anderen Universen zu einer Phase der Inaktivität und Ruhe eingezogen werden), er erhob mich aus Samsāra.

Vers 7

Periya Perumāl hat das geschwungene Muschelhorn, das feuerspeiende Chakra, seine göttliche Form ist wie ein riesiger Berg und seine majestätische Krone duftet nach Tulsi.
Er ist mein Herr, ruhend auf dem Schlangenbett (Ādiśeṣa) in erhabenen Śrīraṅgam, erstaunliche Dinge tut er.
Sein roter, wundersamer Mund, er zog mich an.

Vers 8

Der Herr, in starker Form (nämlich in seiner From als Narasimha) zerriss den Dämon Hiraṇyakaśipu, er ist selbst für die höchsten Devas wie Bramhā schwer zu erreichen.
Er ist der Grund der Gründe, alle Gaben stammen von ihm, er ruht in Śrīraṅgam.
Seine großen, dunklen Augen, geziert durch rote Linien, ich verlor mich in ihnen.

Vers 9

Er, der die Welten verschlang und auf dem Blatt eines Banyan Baumes ruhte (als göttliches Kind, das mit dem Saugen an seinem eigenen Zeh vollkommen zurfrieden ist, – diese Form Gottes wird auch Vaṭa patra śāyī genannt) ruht in Śrīraṅgam auf Ādiśeṣa als weichem Bett. Die schwarze, göttliche Form des Herrn, unvergleichlich, geschmückt mit vielerlei Schmuck, die mein Herz erfüllt. Oh, was kann ich für ihn tun?

Vaṭa patra śāyī Skulptur an einem Tempel

Vers 10

Der von der Farbe und der Qualität der Wolken,
geboren im Clan der Kuhirten, dessen Mund die Butter stahl (eine Anspielung auf Kṛṣṇa),
er, der meinen Geist anzieht und der Herr der Nityasūris ist, er liegt in Śrīraṅgam.
Meine Augen, die ihn verehren, nichts außer ihm wollen sie mehr sehen.


Adiyēn Mādhava Rāmānuja Dāsan
Übersetzung Englisch – Deutsch
Adiyēn Krishna Rāmānuja Dāsan
Übersetzung einer Zusammenstellung tamilischer Kommentare auf Englisch

Thiruppallāṇdu

Śrīḥ
Śrīmathē śatakōpāya namaḥ
Śrīmathē rāmānujāya namaḥ
Śrīmath varavaramunayē namaḥ
Śrī vānāchala mahāmunayē namaḥ

Einführung

Das Thiruppallāṇdu wurde vom Heiligen Periyāḻvār verfasst und nimmt unter den Texten der Āḻvārs einen hervorgehobenen Platz ein. Das besondere an diesem Werk ist, dass es ein „Mangalasasanam“ ist, ein Segen. Dieser Segen gilt – für Menschen aus unserer Kultur vermutlich überraschend – Śrīman Nārāyaṇa, Viṣṇu, also der erhabensten Form Gottes. Im Lichte der abendländischen Religionstradition mag das wiedersinnig erscheinen. Warum sollte ein Mensch Gott segnen? Wie kann er das überhaupt, angesichts der Größe Gottes und seiner eigenen Schwäche?

Doch solche Gedanken scheren Periyāḻvār nicht. Ein Aspekt der lebendigen Erfahrung des Göttlichen durch die Āḻvārs ist die Erfahrung einer unendlich zarten Schönheit, die vom höchsten Herren ausstrahlt. Periyāḻvār erblickt Gott, Viṣṇu, über eine Gruppe Menschen, die ihn (Periyāḻvār) nach dem Sieg in einer Debatte bejubeln. Und angesichts der unendlich zarten Schönheit Viṣṇus und den groben Menschen in seiner Nähe ist er besorgt. Sein Segen ist also kein Ausdruck eines intellektuellen oder theologischen Vorgangs, es ist ein Ausdruck der Erhabenheit von Periyāḻvār, der – im Gegensatz zu den anderen Āḻvārs – von Gott nichts erbittet, sondern für Gott bittet. Periya bedeutet denn auch auf tamilisch groß, Periyāḻvār bedeutet also „der große Āḻvār“.

Das Thiruppallāṇdu wird fast jedem „Goshti“, dem Zusammenkommen von Śrī Vaiṣṇavas zur Verehrung Gottes, rezitiert.

Śrī Vaiṣṇavas rezitieren gemeinsam Thiruppallāṇdu bei einem Utsavam (Tempelfest mit Prozession)

Wie viele Werke der Āḻvārs ist auch Dieses zuweilen nicht ohne weiteres zu verstehen, oft deuten die Āḻvārs nur Dinge mit wenigen Silben an oder kombinieren mehrere Wörter mit Sandhi, so dass die resultierende Buchstabenkombination auf mehrere Arten verstanden werden kann. Wir raten daher dringend davon ab, ohne die Unterstützung eines kenntnisreichen Muttersprachlers die tamilischen Originaltexte, die man auf koyil.org finden kann, zu analyieren. Oft gehen Übersetzungen aus Google Translate / dem Wörterbuch in die völlig falsche Richtung…


Übersetzung

Würdigungsvers I

Er, der ohne Unterweisung durch einen Guru antrat und aus allen Veden rezitierte.
Er, der (dadurch) den Wunsch erfüllte und den Sack Goldmünzen gewann, den der König (Vallabha) als Preis gesetzt hatte.
Er, der der Schwiegervater von Śrī Raṅganatha und die Zier des Brahmanenstandes ist.
Ihm, Viṣṇuchitta, gebührt meine Ehrerbietung.

Dieser Würdigungsvers (Thaniyan) spielt auf die beiden wichtigsten Begebenheiten im Leben von Periyāḻvār an. Wie alle Āḻvārs hat Periyāḻvār diverse Namen auf Tamil und Sanskrit. Sein wichtigster Name auf Sanskrit ist Viṣṇuchitta – der, dessen Geist von Gedanken an Viṣṇu erfüllt ist.

Periyāḻvār war Tempelgärtner in Srivilliputhur, eine Funktion, die traditionell nur Brahmanen ausüben können. Periyāḻvār war mit seinem Dienst im Garten vollkommen zufrieden und hatte daher nach den Unterweisungen seiner Jugend keine weiteren Unterweisungen gesucht, war also kein Gelehrter.

Als nun der lokale König einen Preis dafür auslobte, dass ein Gelehrter zweifelsfrei (gemäß den klassischen Regeln für Diskurs und Logik) beweisen kann, welche Form Gottes die höchste ist, beachtete er dies nicht weiter. Im Traum erschien ihm jedoch Viṣṇu und ersuchte ihn, an diesem Wettbewerb teilzunehmen und zu beweisen, dass Viṣṇu die höchste Form ist. Auf Periyāḻvārs Einwand, dass er nicht für einen solchen Diskurs qualifiziert sei, versprach Viṣṇu, dass er ihm helfen würde.

Als Periyāḻvār sich bei den Gelehrten zum Diskurs meldete, wurde er mit Belustigung empfangen, die anderen Gelehrten waren sicher, dass er gegen sie nicht den Hauch einer Chance hat. Doch zum allgemeinen Erstaunen gewann Periyāḻvār durch die perfekte Beherrschung des gesamten vedischen Schriftkanons. Auf jeden Einwand konnte er vielfältige Textstellen zitieren, die diesen Einwand entkräfteten.

Dass ein schlichter Tempelgärtner gegen die größten Gelehrten seines Landes gewann, wurde mit einem Umzug und großer Verehrung für Periyāḻvār gefeiert – bei dieser Gelegenheit erschien ihm Viṣṇu und der Āḻvār dichtete die vorliegenden Verse.

Später fand er bei seiner Gartenarbeit im Erdreich ein Baby – Āndāl, Avatar der Erdgöttin, ihrerseits einer der drei Aspekte der göttlichen Mutter. Das Bild zu diesem Artikel zeigt den Schrein an dem Ort, wo Āndāl gefunden wurde. Er nahm das Mädchen als seine Tochter an. Später heiratete Āndāl Śrī Raṅganatha, die Bildgestalt des Śrīraṅgam Tempels, und verschwand gleich daraufhin im heiligsten Bereich des Tempels. Daher ist Periyāḻvār der Schwiegervater von Śrī Raṅganatha.

Würdigungsvers II

Srivilliputhur, umgeben von leuchtenden, großen Mauern,
die, die diesen Namen sprechen, möge unsere Stirn zu ihren Füßen sein.
Einst (als der Ruhm von Viṣṇu als höchste Form Gottes zu beweisen war, s.o., gewann er und) fiel ihm der Sack Goldmünzen zu.
Oh Geist, denke daran und vermeide so die unangemessenen (nicht-vedischen) Wege.

Würdigungsvers III

Der König der Pandians (Vallabha) feierte ihn, den König der Vaiṣṇavas,
der König kam und lies die Muschelhörner blasen,
er (Periyāḻvār) erläuterte die letzte Bedeutung der Veden und gewann den Preis,
mögen seine Lotusfüße unser Schutz sein.


Vers 1

Viele Jahre der Menschen, der Devas und des Brahmā*.
Viele Brahmās lang.
Der mit starken Schultern, der die stärksten Ringer besiegt, blau wie ein Saphir,seine wunderbaren roten Füße, mögen sie beschützt sein.


*Demiurge des jeweiligen Universums, für Brahmā sind gemäß der Schriften 1000 Folgen der 4 Yugas wie ein Tag, seine Lebenspanne ist daher etwa 313.528.320.000.000 Menschenjahre. Mit der Schaffung eines Universums wird ein Brahmā geschaffen, wenn er stirbt wird dieses Universum zerstört und später mit einem neuen Brahmā erneut geschaffen

Nach seinem Segenswunsch lässt der Āḻvār uns wissen, dass er sehr wohl versteht, dass sich Gott selber schützen kann. „Der mit starken Schultern, der die stärksten Ringer besiegt“ spielt auf eine Kindheitsgeschichte von Kṛṣṇa an, in der er dutzende Ringer, die den Auftrag hatten, ihn in einem Schaukampf zu töten, seinerseits tötet. Als Kind!

Vers 2

Wir, Deine Diener und Du, unser Herr, mögen wir immer zusammen sein!
Wunderschön und mit Juwelen geschmückt, ruhen sie stets auf der rechten Seite Deiner Brust, Deine Gefährtinnen (die Gefährtin Viṣṇus, Lākṣmī, wird zuweilsen durch drei Göttinen repräsentiert: Śrī Devi, Bhudevi und Niladevi) – mögen sie sets mit Dir sein!
Leuchtend, so dass Deine Form erstrahlt, immer in Deiner rechten Hand, das Chakra (eine Art feuriger Diskus, die liebste Waffe Viṣṇus) – möge es immer bei Dir sein.
Jenes, dessen Klang auf dem Schlachtfeld erklingt, gleich einer Waffe (das Muschelhorn, neben dem Chakra die zweite Insignie Viṣṇus) – möge es immer bei Dir sein.

Nachdem der Āḻvār im ersten Vers die Lotusfüße des Herrn gesegnet hat, segnet er nun seine gesamte transzendentale Erscheinung mit all seiner Fülle.

Kṛṣṇa tötet Śiśupāla, nachdem Kṛṣṇa 100 Beleidigungen durch Śiśupāla ungesühnt gelassen hat – bei der 101. nutzt er das Chakra um Śiśupāla zu töten.

Vers 3

Wenn Du im Dienst am Herren gefestigt bist, komm mit uns und nimm die heilige Erde für das Fest (Śrī Vaiṣṇavas markieren ihre Stirn mit „Urdhva Pundram“, dem Symbol für Viṣṇu und Lakṣmī aus heiliger weißer Erde und rotem Kurkuma).
Doch dienst Du anderen Herren für Dein Essen, so lassen wir Dich nicht zu uns.
Ohne Vergehen sind wir seit 21 Generationen,
Lanka (Sri Lanka) war gefüllt mit Dämonen, sie wurden alle zerstört,
ihm, der gegen sie in die Schlacht zog, singen wir nun Thiruppallāṇdu (segnen ihn).

Der zweite Satz („Doch dienst Du anderen Herren…“) klingt zunächst einmal hart. Wir dürfen aber nicht vergessen, dass der Āḻvār hier Vaiṣṇavas zu einem Utsavam, zu einem religiösen Fest, zusammen ruft. Wäre in der Gruppe derer, die Gott durch Gesänge und Gebete verehren jemand, dem es dabei nicht um Gott, sondern um seinen eigenen Wohlstand geht, würde die Verehrung an Kraft und Würde verlieren.

Vers 4

Bevor ihr auf dem Friedhof* landet, kommt zu uns.
Wenn Du erwägst, Kaivalya aufzugeben, schnell, komm zu uns!**
Ihr, Menschen in Land und Stadt die ihr wisst, was gut für euch ist und das Thirumantra chantet,
wenn eure Hingabe für das Thirumantra reicht, kommt und singt mit uns Thiruppallāṇdu!

* Eigentlich bedeutet das Wort natürlich „Verbrennungsort für Leichen“, Friedhöfe, in denen Leichen beerdigt werden, kannte man zu Zeites des Āḻvārs nicht – die Toten wurden verbrannt.
** aus Sicht des Āḻvārs ist höchste Eile geboten, aus Kaivalya, dem alleinigen Genuss der glückseligen Aspekte des Āthmās, gibt es keine Wiederkehr.

Vers 5

Der Herr der Sinne, Herr über die unzähligen Welten,
er sammelte und zerstörte Dämonen und Asuras.
Ihr aus der Grupper der, die ihm dienen wollen,
kommt zu uns, zu den Lotusfüßen des Herrn,
und singt seine tausend Namen!
Doch gehörtst Du zu denen, die den Herren für Anderes als den Dienst an ihm ersuchen,
gib es auf und singt mit uns Thiruppallāṇdu!

In diesem Vers spricht der Āḻvār die an, die Gott wegen seiner Macht verehren, also sich Hilfe / Vorteile von ihm versprechen. Das ist nicht illegitim, wie wir in Kapitel 7 Vers 16 der Gīta (Englisch, Deutsch in wörtlicher Übersetzung) lesen. Aber es ist eben auch nicht das Ende, es gilt dieses Motiv zu transzendieren und (wie der Āḻvār) Gott um seiner Selbst willen zu verehren.

Vers 6

Mein Vater und ich, sein Vater und sein Vater und sein Vater und dessen Vorfahren, sieben Generationen zurück,
wir kommen zur gegebenen Zeit und Dienen,
wir werden ihn immer segnen,
bei Sonnenuntergang erschien er als Mensch-Löwe (Nārāsimha) und tötete Hiranyakashipu,
davon ist er müde – wir singen ihm Thiruppallāṇdu.

Vers 7

Größer als das Feuer der Sonne, rund und rötlich scheinend,
so leuchtet das Sudarshana Chakras;
Generation für Generation kamen wir, um dem zu dienen,
der es führt (Viṣṇu).
Es drehte sich und trennte die tausenden (Köpfe von den) Schultern von Banasura, dessen Armee mit Hinterlist kämpfte.
Ihm singen wir Thiruppallāṇdu!

Vers 8

Reis mit Ghee, mit reinem Herzen geopfert und von wunderbarem Geschmack,
im immerwährenden Dienst reicht seine Hand uns Betelblätter und -nüsse, Schmuck für den Hals und duftende, unvergleichliche Sandelholzpaste für den Körper,
so erhob er mich tief Gefallenen auf die Ebene des Sattva (Reinheit).
Er, auf dessen Flagge Garuda, Feind der Schlage ist,
ihm singen wir Thiruppallāṇdu.

Im 5. Vers sprach der Āḻvār zu Menschen, die sich vor allem für Wohlstand und den Schutz durch Gott interessieren. In diesem Vers sprecht ein solcher Mensch über das, was er erfahren hat, als er das Streben nach Schutz und Wohlstand aufgab und begann, Gott zu segnen.

Vers 9

Wir tragen die heiligen gelben Stoffe, die um Deinen Körper lagen,
wir essen das Essen, das Du gekostet hast,
wir tragen die Tulsi Girlanden die Du getragen hast,
all die Dinge, die all den verschiedenen Bereichen getan werden müssen, sind getan,
Dir, ruhend auf dem Bett das Adiṣesa (die Weltenschlange) ist, mit geblähten Hauben, an Sravanam (ein Tag Ende März, an dem Vaiṣṇavas traditionell fasten und der für die Verehrung von Viṣṇu besonders geeignet ist),
ihm singen wir Thiruppallāṇdu.

Vers 10

Oh Herr, egal wann wir unterschrieben Deine Diener zu sein,
an diesem Tag wurde unser Haushalt zum Hort Deiner Diener.
Wir wurden befreit von Kaivalya und von Dir erhoben.
Du, aus der schönen und göttlichen Stadt Mathura,
zerbrachst den Bogen (von Kamsa, dem König, der Kṛṣṇa – um den geht es hier – töten wollte),
sprangst auf den Kopf der Schlange Kaliya, sie mit ihren fünf Köpfen und Hauben,
Dir singen wir Thiruppallāṇdu.

Vers 11

Oh Herr, die, die ohne schlechte Gewohnheiten (Bewusstsein, den Ausdruck für die Existenz des Āthmā, für ein rein körperliches Phänomen halten, das Āthmā für unabhängig von Allem halten usw) sind, sie sind der Schmuck der Welt,
Den Bewohnern von Thirukostiyur (einer Divya Deśams, also der 108 Tempel, die von den Āḻvārs gepriesen wurden, in Thirukoshtiyur soll ein Treffen der großen Seher und Götter statt gefunden haben – Thiru = heilig, kosti = goshti, Treffen einer Gruppe) bist Du der Herr.
Die, deren Größe nur darin besteht, sich als als Deine Diener zu betrachten so wie Selva Nambi (der Überlieferung nach der Verwalter des Tempels von Thirukkottiyur, er wies des König an, die Debatte auszurufen, die Periyāḻvār gewann), ich bin einer von ihnen, ewiger Diener von Dir, unserem Herren.
Du, der Du alle Vergehen so wunderbar entfernen kannst,
wir rezitieren das Thirumantra,
wir singen Deine Namen ohne auf Formales zu achten,
Dir singen wir Thiruppallāṇdu.

Vers 12

Er, der einen Bogen names Sārngam trägt,
er der absolut rein ist und in Vaikuntha residiert,
ihm sang Viṣṇuchitta (Periyāḻvār) aus Srivilliputhur seinen Segen.
Mit großem Verlangen danach gab er diesen heiligen Gesang,
die, die ihn stets wiederholen und über das Thirumantra meditieren,
sie werden Paramāthmā (die Überseele, Śrīman Nārāyaṇa) umgeben und Thiruppallāṇdu.


Adiyen Mādhava Rāmānuja Dāsan
Übersetzung auf Deutsch
Adiyen Sarathy Rāmānuja Dāsan
Adiyen Sudarshana Rāmānuja Dāsan
Übersetzung ins Englische

Tempel in Srivilliputhur, Quelle: Wikipedia