Ānḍāḷ – Gopi, Āḻvār, Gemahlin des Herrn

Śrīḥ
Śrīmathē śatakōpāya namaḥ
Śrīmathē rāmānujāya namaḥ
Śrīmath varavaramunayē namaḥ
Śrī vānāchala mahāmunayē namaḥ

Um die Āḻvārs ranken sich in Südindien vielerlei Gebräuche und Riten – aber es gibt wohl niemanden, dessen Leben und Verse vielfältiger auf die Śrī Vaiṣṇavas gewirkt haben als Ānḍāḷ.

Ānḍāḷ ist die einzige Frau unter den Āḻvārs und Adoptivtochter eines anderen Āḻvārs (Periyāḻvār, dem Verfasser des Thiruppallāṇdu). Periyāḻvār war Brahmane, aber er war nie wirklich an theoretischem Wissen interessiert – seine Leidenschaft galt seit Kindesbeinen dem Rezitieren der göttlichen Namen und dem praktischen Dienst am Herrn. Und so war er Tempelgärtner in Srivilliputhur, sein ganzes Leben widmete er dem Züchten von Pflanzen und Blumen für die Verwendung im Tempel, insbesondere zur Herstellung von Blumengirlanden.

Eines Tages zu Ādi Pōram (übliche Schreibweise Aadi Pooram), das ist meistens Anfang August, fand er bei seiner Gartenarbeit unter einem Tulsi-Strauch ein Baby. Dieses umgab eine starke spirituelle Energie (Tejas) und ein goldener Schimmer. Sowohl er als auch seine Frau waren sofort vernarrt in das Kind und zogen es bei sich auf.

Das Kind war ein Mädchen und bekam den Namen Kōndai. Kōndai wuchs in die intensive spirituelle Stimmung ihres Vaters und seines Kainkaryams (Dienstes am Herrn) hinein und entwickelte, wie schon ihr Vater, eine besonders intensive Hingabe an Kṛṣṇa. Im Laufe der Jahre wuchs ihre Liebe so sehr, dass sie schwor, Kṛṣṇa und niemanden sonst heiraten zu wollen. Dies brachte Periyāḻvār in Sorge. Wie um alles in der Welt sollte er seiner geliebten Tochter diesen Wunsch erfüllen?

Zum Dienst von Periyāḻvār gehörte, wie erwähnt, das Anfertigen von Girlanden für das Schmücken der Deity (der Deity des Srivilliputhur Tempels ist Vatapathrasāyi, eine Form von Kṛṣṇa). Diese wurden wohl in Periyāḻvārs Haus gefertigt und dann zum Tempel gebracht. Kōndai fing irgendwann an, sich mit diesen Girlanden und Glöckchen wie eine Braut für Kṛṣṇa zu schmücken. Periyāḻvār bemerkte dies zunächst nicht, er war aber über den wunderbaren Duft erfreut, den die Girlanden seit einiger Zeit verströmten.

Doch irgendwann bemerkte der Āḻvār die heimlichen Aktivitäten seiner Tochter. Oh, wie enttäuscht und wütend war er. Wie konnte sie die Girlanden verunreinigen, indem sie sie trug, bevor sie zur Deity kommen! Ein Mahāpapa, ein großes Vergehen, war das. Er schimpfte und Kōndai versprach, nie wieder so etwas zu tun. Doch als er der Deity eine „reine“, von Kōndai ungetragene Girlande brachte… wo war der wunderbare Duft? Auch die geschmückte Deity wirkte matt und freudlos. Der Āḻvār ging betrübt nach Hause. In seinem unruhigen Schlaf erschien ihm Govinda und bat darum, in Zukunft nur noch Girlanden zu bekommen, die zuvor von Kōndai getragen wurden. Und in der Tat, kaum trug Govinda wieder die Girlanden, die Kōndai zuvor getragen hatte, dufteten sie wieder wunderbar und der Deity wirkte äußerst zufrieden.

Die Hochzeit

Während Periyāḻvār vor diesem Ereignis in großer Sorge war, wie er seiner geliebten Tochter ihren innigsten Wunsch erfüllen soll, war er nun überzeugt, dass sie den Herrn am Ende heiraten würde. Gleichzeitig wuchs Kōndais Bhaki immer weiter. So, wie die Gopīs in Kṛṣṇas Abwesenheit ihre Interaktionen mit Kṛṣṇa nachspielten, spielte Kōndai dass Vatapathrasāyi Kṛṣṇa, der Tempel das Haus von Kṛṣṇas Adoptivvater Nandagopa und Srivilliputhur Vrindavan ist, ihre Freunde und sie selbst hatten die Rollen der Gopīs. In dieser Stimmung entstand ihr berühmtes Werk Thiruppāvai. Es ist wohl auch diese Zeit, in der man anfing, Kōndai Āndāl zu nennen – Ānḍāḷ / ஆண்டாள் steht für சூடிக்கொடுத்த சுடர்க்கொடி (Cūṭikkoṭutta cuṭar koṭi, oft transliteriert als Soodikkoduttha sudar kodi – die, die wie Feuer brennt).

Als sich nach einiger Zeit immer noch keine Ehe mit Kṛṣṇa anbahnt, singt Ānḍāḷ das Nāchiyār Thirumōḻi (oft transliteriert als nAchiAr thirumOzhi). Periyāḻvār versuchte, ihren Schmerz mit Erläuterungen zur spirituellen Bedeutung der Archāvatāra Emperumāns, also den Deities in den Tempeln und ihrer Rolle als Verkörperung des Herrn, zu lindern und erwähnte dabei besonders Śrī Raṅganatha, der Deity des Śrīraṅgam Tempels. Ānḍāḷs Hingabe richtet sich daraufhin vollkommen auf Śrī Raṅganatha, ihr Wunsch ihn zu heiraten kennt keine Grenzen… Periyāḻvār Sorgen über Ānḍāḷs Heiratswunsch wuchsen schon eine Zeit wieder, bis ihm eines Tages im Traum Śrī Raṅganatha erscheint und ihn anweist, Ānḍāḷ nach Śrīraṅgam zu bringen, damit er sie heiraten kann. Zeitgleich erschien er auch dem lokalen Fürsten und den Tempelpriestern von Śrīraṅgam und wies sie an, eine große Prozession mit Elefanten, Musikern u.v.m. nach Srivilliputhur zu schicken, um seine Braut zu holen. Und so wurde Ānḍāḷ mit allen Ehren nach Śrīraṅgam gebracht. In Śrīraṅgam wurde umgehend die Hochzeitszeremonie begonnen, für die Ānḍāḷ aufs Schönste geschmückt wurde. Sie wurde in das Sannidhi (den heiligsten Bereich des Tempels) geleitet, wo sie die Lotusfüße des Herrn berührte und in einem Lichtblitz verschwand.

Śrī Raṅganatha und Śrī Āndāl

Alle Anwesenden waren außer sich und fingen an, Periyāḻvār zu preisen. Er war mit dieser Hochzeit zum Schwiegervater von Śrī Raṅganatha geworden! Doch all der Ruhm konnte die Traurigkeit von Periyāḻvār und seiner Frau, ihre wunderbare Tochter auf dieser Welt nicht mehr wiederzusehen, nicht ändern. Er sprach

Oru magaḷai udaiyēn; ulagam niṛaindha pugaḻāl
Thirumagaḷ pōl vaḷartthēn senkaṇmāl dhān koṇdupōnān

Nur eine Tochter hatte ich, berühmt war sie (durch ihre grenzenlose Liebe zum Herrn); Ich erzog sie wie Mahālakṣmi (doch nun habe ich sie verloren).
Der Herr mit Augen wie roter Lotus hat sie mir weggeschnappt.

Unsere Āchāryas über Ānḍāḷ

In seinem Werk Śrīvacana Bhūṣaṇam schreibt Piḷḷai Lokācārya, einer der sehr bedeutenden frühen Āchāryas, in Vers 238

brahmaṇottar-āṇa periyaḻvārum tiru-makaḷārum gopa-jaṇmattai yāstāṇam paṇṇiṇārgaḷ.

Periyāḷvār, Erster unter den Brahmanen, und seine gesegnete Tochter (Ānḍāḷ) wurden (trotz Ihrer Zugehörigkeit zur höchsten Kaste der Brahmanen) zu Gopas (Kuhhirten, der niedrigeren Kaste der Vaiśyas zugehörig).

Ānḍāḷ und ihr Vater sind somit wunderbare Beispiele dafür, dass die Liebe zum Herrn alle sozialen Grenzen überwindet.

Ay Jananyāchāryar, ein Schüler eines anderen sehr bedeutenden frühen Āchāryas (Nampiḷḷai) erwähnt in einem seiner Kommentare zum Thiruppāvai eine Begebenheit aus dem Leben von Rāmānuja im Bezug auf Ānḍāḷs Thiruppāvai: Eines Tages baten seine Schüler Rāmānuja, ihnen eine systematische Erläuterung (Upanyāsam) zum Thiruppāvai zu geben. Darauf antwortete Rāmānuja, dass sie Leute finden werden, die das Thiruppallāṇdu erläutern können, aber nicht das Thiruppāvai. Damit ist gemeint, dass das Niveau des Thiruppāvai, das eine Segnung (Mangalāsasānam) der Anhänger des Herrn ist, über dem des Thiruppallāṇdu steht, welches sich „nur“ auf den Herrn bezieht. Die bedingungslose Hingabe zu den Anhängern des Herrn ist die ultimative Ebene der Hingabe, sie wird von den wenigsten erreicht – und daher kann niemand das Thiruppāvai erklären.

Rāmānuja erklärte auch, dass Männer ohnehin unqualifiziert sind, das Thiruppāvai zu erläutern oder Erläuterungen darüber zu hören. Denn nur, wenn jemand so vom Herrn abhängt, wie die Frau vom Mann im traditionellen Rollenverständnis, kann er bzw. sie die Feinheiten des Thiruppāvai und der Stimmungen von Ānḍāḷ verstehen. Und selbst unter den Gefährtinnen des Herrn (Pirāttis), die völlig von ihm abhängen, ist letztlich nur Ānḍāḷ in der Lage, die letzten Feinheiten ihres Thiruppāvai zu erklären.

Manavāḷa Māmunigaḷ merkt in seinem Werk Upadhesa Rathina Mālai an, dass Ānḍāḷ aus derselben Stimmung aus dem Reich des Herrn hinab in Samsāra gegangen ist, wie eine Mutter, die in einem reißenden Fluss springt, um ihr Kind zu retten.

Und so rühmen viele Āchāryas Ānḍāḷ als Āḻvār, der weit jenseits der übrigen Āḻvārs steht. An ihre Hochzeit mit Śrī Raṅganatha wird heute bei Śrī Vaiṣṇava Hochzeiten gerne erinnert, im Margaḻi Monat (Dezember / Januar) wird traditionell das Thiruppāvai rezitiert, denn Ānḍāḷ verweis gleich im ersten Vers des Thiruppāvai auf diesen Monat. Es ist auch üblich, in diesem Monat die Hochzeit von Ānḍāḷ und Raṅganatha mit dem Goda Raṅganatha Kalyanam zu feiern (Godai ist ein weiterer Name von Ānḍāḷ). So ist Ānḍāḷ für viele Śrī Vaiṣṇavas noch heute der präsentesete under den Āḻvārs.

Adiyen Mādhava Rāmānuja Dāsan

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Autor: koyildeutschland

Sri Vaishnavam in Deutschland

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